Mit Schirm, Charme und Melone (The Avengers) - Die frühen Jahre: Staffel 2 und 3 mit Honor Blackman (Das etwas andere Agentenduo!)

Wie innovativ "Mit Schirm, Charme und Melone" letztendlich, nach dem Abgang von Ian Hendry zum Film, wurde, wird wohl mit der Einführung einer Frauenfigur wie Dr. Catherine Gale, gespielt von Honor Blackman, nur allzu deutlich.

Lange Zeit davor und auch lange Zeit danach gab es kaum Frauenfiguren in der Fernseh- und Filmwelt, die wie Catherine Gale und Emma Peel agierten.

 

Frauen waren meist eher nur, im Laufe einer Serienfolge oder eines Films, "zu rettende Wesen" oder "unwissende, naive Ehefrauen, die von den (Un-)Taten ihrer Männer anscheinend nicht den blassesten Schimmer hatten" oder, wie etwa Romy Schneider, speziell in ihren französischen Filmen, stets in irgendwelchen verzwickten, von sadomasochistischen Komponenten geprägten, Beziehungen gefangen.

So kämpfte, in meiner Erinnerung jedenfalls, beispielsweise erst wieder Sigourney Weaver als Ripley, in Ridley Scotts Kino-Meilenstein "Alien" (1979) und, noch viel eindrucksvoller (wenngleich auch etwas brachialer), dann in James Camerons Fortsetzung "Aliens" (1986), ähnlich autark und eindrucksvoll wie Honor Blackman und Diana Rigg in ihren TV-Rollen.

Vor allem im "Kino-Macho-Jahrzehnt" schlechthin, nämlich den 80ern, der Zeit von Schwarzenegger und Stallone, die ich damals allerdings auch gut fand und regelrecht verehrte, war eine Frauenfigur wie Ripley, die auch eine "Knarre" ordentlich abfeuern konnte, um beispielsweise damit Alien-Eier zu zerstören, eine bemerkenswerte Ausnahme!

 

Aber zurück zu Staffel 2 und 3 der "Avengers", und damit automatisch zu John Steeds interessanter neuer Partnerin Dr. Catherine Gale.

In 17 Episoden der 2. Staffel, die von Stil und Optik her noch stärker "Fernsehspielcharakter" hat, aber seltsamerweise meiner Meinung nach sogar ein bisschen mehr Charme als die 3. besitzt, und in 26 Episoden der dritten Staffel verkörperte Honor Blackman also "Die Erste Gleichberechtigte Frau im britischen Fernsehen", wie es so treffend im schönen Begleitheft zur deutschen DVD-Ausgabe der frühen "Mit Schirm, Charme und Melone"-Folgen heißt. Diese Folgen wurden vom Kultursender ARTE ab Dezember 2010 erstmals in deutscher Synchronisation gesendet, wofür man dem Sender wirklich ewig dankbar sein muss.  

Zur ersten Staffel muss noch gesagt werden, dass Blackman, aus vertraglichen Gründen, nicht in allen Episoden zu sehen ist. In 3 Episoden "vertritt" anfangs kurz Jon Rollason als Dr. Martin King kurzfristig Dr. Keel. Die Schauspielerin Julie Stevenson gibt in 6 Episoden der 2. Staffel die etwas naive Nachtclubsängerin Venus Smith, die zwar sympathisch ist, aber eher einem konventionellem Frauenbild entspricht und somit zwangsweise ein kleiner "Fremdkörper" in der Serie ist. Insofern geben die Folgen mit ihr im Zusammenhang mit dem sonstigen "Avengers"-Konzepts auch wenig her.

 

Nun aber zurück zu Honor "Dr. Catherine Gale" Blackman: Nicht nur, dass Blackman als Dr. Gale gleichberechtigt auftrat und man ihr sozusagen die Intelligenz eines Mannes zubilligte, nein, sie konnte auch, wie schon erwähnt und Emma Peel später in Perfektion praktiziert, mit Judo-Künsten und Selbstverteidigungstechniken locker Männer außer Gefecht setzen!

 

Die Serienmacher sind sogar schon in der Frühzeit von "Mit Schirm, Charme und Melone" so weit gegangen, und das ist für die damalige Zeit ebenfalls zentral, was diese Serie betrifft, und auf jeden Fall als wahrlich revolutionär zu bezeichnen, dass die Rollenbilder Mann/Frau in manchen Szenen einfach spielerisch umgedreht werden, was Patrick Macnee einmal in einem Kommentar dazu veranlasst hat zu sagen, dass manchmal er "die Frau war und Dr. Gale der Mann"!

Ein Beispiel: In einer Folge beschäftigt sich Cathy Gale eingehend mit einer ganzen Reihe von großkalibrigen Waffen, begutachtet diese eingehend, während Steed mit Lebensmitteln, dem Einkauf sozusagen, in ihre Wohnung kommt und diese sorgfältig, fast pedantisch, in einem Kasten verstaut. Eine wirklich köstliche, wunderbare Szene - und sicherlich einzigartig und ein wahres Unikat in der Serien- und wiederum auch wieder Filmlandschaft der damaligen Zeit!

 

Überhaupt werden schon hier, in den Vor-Emma-Peel-Staffeln, gewisse Rituale zwischen Steed und seiner Partnerin Gale gepflegt, die sich später durch die gesamte Serie ziehen: Das gegenseitige Besuchen, gemeinsame Tätigkeiten verschiedenster Art in den Wohnungen (später, in der Emma Peel-Schwarzweiß-Staffel, versuchen sich z.B. Steed und Peel einmal am Spielen von Musikinstrumenten) , und vor allem das miteinander Trinken. Überhaupt wird bei den "Avengers" in fast jeder Folge Alkohol konsumiert - was das betrifft, da können nur spätere US-Anwaltsserien wie "Boston Legal", wo das gemeinsame (Scotch-)Trinken auf dem Balkon als Ritual überhaupt am Ende von beinahe jeder Folge steht, oder "The Good Wife" mithalten, wo der abendlichen Konsum von Wein oder Schnaps sozusagen den Stress der (Tages-)Arbeit vor Gericht ausgleichen soll.

 

Interessant ist auch, dass man sich über die wahre Natur der Beziehung zwischen Steed und seinen Mitstreiterinnen wie Gale und Peel nie ganz im Klaren ist. Mit anderen Worten, es tun sich Fragen auf wie: Läuft da doch noch was zwischen ihm und seinen Partnerinnen? Sind es Frauen, mit denen er einst eine Affäre hatte und sie dann, auf Grund ihrer zweifellosen Eignung, für die Geheimdienstarbeit angeworben hat?

Wie auch immer: Fest steht, dass stets auch eine ganz spezielle Art von erotischer Anziehung zu spüren ist, mögen die Frauen oft noch so stark "wie Männer" agieren. Auch daran sieht man, wie vielschichtig die "Avengers" angelegt waren und wie gut das Konzept letztendlich von den Protagonisten gespielt wurde!

 

Aber bevor es hier zu allgemein wird, noch ein paar Zeilen über Dr. Catherine Gale, die letztendlich zweifellos die Wegbereiterin und das Rollenmodell von Mrs. Emma Peel, der Agentin mit den hautengen Lederanzügen und den notwendigerweise oftmals präsentierten "schlagenden Argumenten", ist.

Auch gibt es durchaus immer wieder Auseinandersetzungen zwischen Gale und Steed, regelrechte Wortgefechte, in denen diverse Vorgehensweisen in Frage gestellt werden.

 

Zu verdanken ist die Tatsache, dass man als Ersatz für Ian Hendry seinerzeit eine Frau genommen hat, Sidney Newman, dem damaligen Schauspiel-Chef bei ABC und "Avengers"-Erfinder. Nachdem dieser angeblich Nachrichten über eine britische Siedlerin gelesen hatte, die einem Mau-Mau-Aufstand mit einer Waffe und, noch dazu, einem Baby auf dem Rücken getrotzt hatte und, darüber hinaus, Kriegsfotografinnen wie Margaret Bourke-White und Anthropologinnen wie Margaret Mead von sich reden machten, die beide die Attribute "körperlich aktiv", "attraktiv" und "intelligent" besaßen, war die Entscheidung gefallen, dass eine Frau die neue Partnerin von Macnee in der Serie werden sollte!

 

Die beeindruckende Chemie zwischen Blackman und Macnee zeigte sich bei den Probeaufnahmen sofort. Dr. Gale, der man übrigens den Status einer Witwe "verpasste", deren Mann in Afrika ums Leben gekommen war, markierte mit ihrer klaren, aufrechten Haltung gegenüber den Dingen einen sehr reizvollen Gegensatz zu Steeds amoralischen Tendenzen, die man einem Geheimagenten wohl kaum "übel nehmen" kann - man denke da bitte bloß an Mr. 007! Gerade dieser Gegensatz zwischen Gale und Steed bedingt auch die Basis für jene prickelnde, erotischen Atmosphäre, von der weiter oben schon die Rede war.

 

Noch eine Anmerkung zu den Kämpfen, und somit auch zu denen von Blackman: Diese konnten nicht gedoubelt werden, da die Serie "live" gesendet wurde. Also lernte Blackman tatsächlich Judo!

 

Zur Entwicklung von John Steed: Ab der Mitte der zweiten Staffel macht die Figur nämlich den entscheidenden Wandel zum Gentleman und souveränem Agenten im Nadelstreifanzug durch! Eine Rolle, die in den Emma Peel-Staffeln dann endgültig abgeschlossen und perfektioniert war. Jener John Steed, den die Welt kennt, war dann in der Mitte der 60er und mit Emma Peel an seiner Seite fertigmodelliert.

 

Mit dem Duo Steed/Gale wurde die gehobenen Krimikost, die die "Avengers" anfangs zweifellos darstellte, schnell von der speziellen Magie übertrumpft, die die Serie dann ab der vierten Staffel, mit Diana Rigg, auf der ganzen Welt so populär und unvergessen gemacht hat. Hier muss man aber unbedingt auch auf die Drehbuchautoren hinweisen, die mit ihrem Hang zum Abgründigen und Absurden von Beginn an stets entscheidend zum Publikumserfolg der Serie beigetragen haben! 

Die Serie entwickelte sich in England schnell zum Straßenfeger und, wie bereits erwähnt, kämpft Steed in den 26 Folgen der 3. Staffel, die eine etwas "filmischere" Optik als Staffel 2 besitzt, ausschließlich mit Cathy Gale an seiner Seite gegen diverse Schurken mit ihren Allmachtfantasien. 

 

Unter den Highlights von Staffel 3, und davon gibt es nicht zu wenige, "Build A Better Mousetrap" ("Die Mausefalle") oder "Mandrake" ("Die Zauberwurzel") wären da etwa weitere Beispiele, finden sich auch mehrere Episoden, die in den Emma Peel-Farbstaffeln noch einmal neu verfilmt wurden.

Aus "Don't Look Behind You" ("Kein Blick zurück") wurde in Staffel 5 der Avengers-All-Time-Classic "The Joker" ("Weekend auf dem Lande").

Aus "Dressed To Kill" ("Tödliche Maskerade") wurde überhaupt eine der populärsten Avengers-Folgen: "The Superlative Seven" ("Fliegen Sie mal ohne"). 

Schließlich verfilmte man auch noch "The Charmers" ("Die Schmeichler") neu und nannte das Ganze dann "The Correct Way To Kill" ("Kennen Sie Snob?"). Regie führte bei der letztgenannten Folge niemand Geringerer als Charles Crichton, der 1988, im hohen Alter, mit "A Fish Called Wanda" noch einmal einen absoluten Kino-Welterfolg landen konnte und gleichzeitig, ganz nebenbei gesagt, mit der besagten Komödie, die Kevin Kline seinerzeit sogar verdientermaßen einen Oscar als besten Nebendarsteller bescherte, eine der gelungensten und lustigsten Filmkomödien aller Zeiten hinlegte.

 

Gerade bei den Folgen "Kein Blick zurück" und dem dazugehörigen Farb-Remake "Weekend auf dem Lande", in denen es um die Rache eines entflohenen psychopathischen Verbrechers an Gale bzw. Peel  geht, der vor Jahren nämlich einmal von ihnen, im Rahmen eines Auftrags, zunächst "bezirzt" und dann in die Falle gelockt wurde, werden auch die Unterschiede zwischen den beiden Figuren deutlich, die ich schon kurz einmal erwähnt habe. 

Denn: Honor Blackman darf durchaus in ihrer Rolle ab und an Gefühle zeigen und fängt am Ende der Folge, als sie sämtliche Zusammenhänge durchschaut und dem Bösewicht gegenübersteht, sogar zu weinen an! 

Diana Rigg hingegen gibt sich derartigen Gefühlsausbrüchen in keiner Avengers-Folge hin - und bleibt somit, von der Grundtendenz her, stets furchtlos und "cool", was ihr natürlich auch einen leicht "übermenschlichen Touch" verleiht. Während man bei Gale, gerade in dieser durchaus unheimlichen Folge "Kein Blick zurück", die in einem abgelegenen Landhaus spielt, auch eine gewisse Angst erkennen kann, bleibt Emma Peel in "Weekend auf dem Lande" stets "Herrin der Lage" und gönnt sich höchstens einmal einen Ausdruck des Erstaunens angesichts der bizarren Scherze, die der Bösewicht in dem Haus für sie parat hält.

 

Aber wie auch immer: Nach nur zwei Staffeln "Mit Schirm, Charme und Melone" war 1964 Schluss für Dr. Catherine Gale, denn Blackman verließ die Serie, um an der Seite von Sean Connery, als "Pussy Galore", einen der legendärsten James Bond-Filme zu drehen. Die Rede ist natürlich von "Goldfinger"!

 

Auf diese Tatsache, nämlich dass Blackman die "Avengers" in Richtung Bond verlässt, wird, auf spielerische und humorige Art und Weise, auch in der letzten Folge von Staffel 3 ("Lobster Quadrille"/"Tanz der Hummer") im Schlussdialog zwischen Steed und Gale hingewiesen. 

Aber auch später noch gibt es Bezüge: In der Emma Peel-Schwarzweiß-Folge "Too Many Christmas Trees" ("Weihnachten - Ein Alptraum") fragt sich Steed beim Lesen einer Weihnachtskarte, was seine gute alte Freundin Cathy Gale denn bitte in Fort Knox mache.  

 

 

(geschrieben: 2016)