Oliver Stones "Natural Born Killers" (1994) oder: Warum Serienkiller-Filme heutzutage aus der Mode gekommen sind... (TEIL 2 des Artikels - HAUPTTEIL)

 

II

 

Man sagt, meine Mittel sind nicht subtil. Aber das ist zuallererst, was wir brauchen: ein Kino, das uns wachrüttelt, unsere Nerven und unser Herz.

(Oliver Stone)

 

Irgendwann 1994 saß ich in einem fast leeren Grazer Kino und sah mir Oliver Stones Vietnam-Film Heaven & Earth (1993; Zwischen Himmel und Hölle) an. Dass der Kinosaal, wie gesagt, fast leer war, war bezeichnend, denn beim Betrachten des, zunächst recht harten und visuell wie üblich beeindruckenden, dann aber irgendwie fast in den Kitsch (man könnte auch sagen: in die Rührseligkeit) abgleitenden, Films wurde einem klar: Das Vietnam-Thema war sowas von durch!

Dieser dritte Teil von Stones Vietnam-Trilogie, die Klassiker Platoon (1986) mit Charlie Sheen und Born on the Fourth of July (1989; Geboren am 4. Juli; literarische Vorlage: Ron Kovic) mit Tom Cruise, zwei Filme, für die Oliver Stone in den 80ern auch gleich zweimal den Regie-Oscar kassiert hat, bilden die Vorgängerwerke, war nicht nur kein wirklich guter Film, sondern auch ein Film, den der filmische Zeitgeist der 90er-Jahre offenbar bereits gnadenlos eingeholt hatte.

 

Etwa ein dreiviertel Jahr später saß ich wieder in demselben Grazer Kino und sah mir wieder einen Oliver Stone-Film an, nämlich Natural Born Killers, und diesmal war das Kino voll!

Der Tarantino-Spirit (Quentin Tarantino hat ja die Drehbuch-Urversion von Natural Born Killers geschrieben, sich aber von Stones Werk distanziert; er wird im Vorspann sozusagen nur mehr als „Story-Lieferant“ genannt) hatte, vor allem natürlich nach dem Jahrhundertfilm und Goldene Palme-Gewinner Pulp Fiction (1994), die Herrschaft in der Filmwelt übernommen, eine Tatsache, die sich eben auch in der Verfilmung von Tarantinos „liegengebliebenen“ Drehbüchern ausgewirkt hat, wie das nicht nur bei Natural Born Killers, sondern auch bei dem misslungenen True Romance (1993) von Tony Scott der Fall war.

 

Oliver Stone hat die Finger stets in US-Traumata gelegt oder zumindest Themen behandelt, die sehr stark „gesellschaftliche Phänomene der US-Gesellschaft“ widergespiegelt haben. Seine Filme sind demzufolge auch tendenziell „zeitgeistkritisch“, aber das ist auch der Grund dafür, dass viele davon heute so fast überhaupt keine Rolle mehr im „kollektiven filmischen Unterbewusstsein“ spielen. Stones Werke, die zu der Zeit ihres Erscheinens sehr viel Aufmerksamkeit bekommen haben, oft mehr von den Medien als tatsächlich vom Publikum, sind, wenn man so will, irgendwann vom Zeitgeist überholt worden.

So wirkt auch ein Kriegsfilm wie Platoon, der einem in der stereotypen Actionfilm-Welt der 80er-Jahre wie eine Offenbarung vorgekommen ist, heute weniger tiefgründig und weit plakativer als damals. Nach Rambo: Fist Blood Part II (1985; Rambo 2 - Der Auftrag; Regie: George P. Cosmatos), einem meiner Allzeit-Lieblings-Action-80er-Jahre-Filme, in dem Sylvester Stallone den Vietnam-Krieg praktisch im Nachhinein im Alleingang gewinnt, ist einem halt bald etwas tiefgründig vorgekommen :-).

Platoon hat aber einen Magic Moment, der auch nach 22 Jahren, die seit dem Erscheinen des Films vergangen sind, noch immer nichts von seiner „Magic“ verloren hat. Gemeint ist der Moment, in dem „Sgt. Elias“ Willem Dafoe, als er im Dschungel auf seinen Gegenspieler „Sgt. Barnes“ Tom Berenger trifft, zuerst lächelt, dann aber erkennen muss, dass es um nichts weniger als um sein Leben geht. Eine denkwürdige Konfrontation zweier Gegenpole, eines Soldaten, Elias, der sich seine Menschlichkeit im Krieg irgendwie bewahrt hat, und eines zweiten Soldaten, Barnes, der im Krieg zu einem brutalen Schlächter mutiert ist, die letztendlich damit endet, dass Barnes seinen Platoon-Kollegen (Anm.: „Platoon“ bezeichnet einen militärischen Zug, eine aus zahlreichen Soldaten bestehende militärische Teileinheit) Elias, der Barnes wegen eines Massakers in einem vietnamesischen Dorf vors Kriegsgericht bringen will, einfach wortlos niederschießt.

 

Wall Street (1987) mit Michael Douglas und Charlie Sheen hat natürlich ein interessantes Thema, nämlich die amerikanische Finanzwelt und ihre Finanzhai-Kultfiguren, die in den 80ern auch so etwas wie Superstars waren, aber der Film, der letzten Endes ausschließlich von Michael Douglas‘ Charisma lebt und der ikonischen Qualität, der er der von ihm gespielten Hauptfigur Gordon Gekko verleiht, leidet vor allem unter seinem moralinsauer inszenierten Ende, unter der Läuterung, die der von Sheen gespielte Bud Fox in der Wall Street-Welt erfährt. Stone neigt nämlich dazu, den moralischen Zeigefinger oftmals ein klein wenig zu intensiv zu erheben, was aber der künstlerischen Qualität seiner Filme irgendwie nicht guttut.

Ein viel zu wenig beachteter Film ist hingegen Talk Radio aus dem Jahr 1988 geblieben, ein Werk, dessen klaustrophobische Intensität, die dem Umstand geschuldet ist, dass der Film fast ausschließlich in einem Radiosender-Studio spielt, beeindruckend ist. Auch hier zeichnet Stone, wie später in Natural Born Killers, ein düsteres Bild der Medienlandschaft. Die Kommunikation wird in der Radiosendung, die Barry Champlain (gespielt von Eric Bogosian) zu nächtlicher Stunde moderiert, eher zur Konfrontation, eine Tatsache, die den Skandal-Moderator während seiner Sendung auch selbst immer stärker in die Isolation treibt. Am Ende wird er, als er nach der Show das Studio verlassen hat, von einem vermeintlichen Fan auf dem Parkdeck erschossen. Die Handlung dieses vor allem eindrucksvoll gefilmten Werkes basiert auf der wahren Geschichte des US-Radio-Moderators Alan Berg, der 1984 in Denver von Mitgliedern einer rechtsextremen Gruppe erschossen wurde.

 

Um die hypnotische Jim Morrison-Biographie The Doors (1991) ist seinerzeit, wie das eben bei vielen Stone-Filmen der Fall war, ein riesiger Hype entstanden, dem ich mich auch selbst nur schwer entziehen habe können, denn vor allem natürlich war es damals Pflicht, den Soundtrack zu besitzen, auf dem der Hauptdarsteller Val Kilmer zahlreiche Doors-Klassiker sogar selbst gesungen hat, und das durchaus ansprechend. Der erwähnte Hype um den Film war damals so groß, dass es mich Jahre später regelrecht überrascht hat, zu erfahren, dass er genau genommen ein finanzieller Flop war. Aber wie bereits erwähnt: Die Aufmerksamkeit, die die Medien und die Oscar-Academy Stones Filmen stets haben zukommen lassen, spiegelte nicht immer den tatsächlichen Publikumszuspruch wider.

 

Für mich persönlich Oliver Stones Opus Magnum stellt aber der grandiose Kennedy-Attentat-Verschwörungs-Thriller JFK (1991; JFK – Tatort Dallas) mit Kevin Costner dar, meiner Meinung nach eines der am besten, am virtuosesten und am spektakulärsten gefilmten Werke aller Zeiten. Ob die darin vertretene recht kühne Verschwörungstheorie das Attentat betreffend jetzt wirklich irgendeinen hohen Wahrheitsgehalt hat, lässt sich nicht beurteilen, sicher ist nur, dass die Art und Weise, wie Stone und sein damaliger Stamm-Kameramann Robert Richardson, im Übrigen ein wahrer und auch mehrfach (verdienterweise auch für JFK) Oscar-prämierter Virtuose seines Faches, diese Verschwörungstheorie filmisch in Szene gesetzt haben, große Klasse ist und man nicht anders kann, als über drei Stunden lang gebannt auf die Leinwand zu starren und den Ausführungen von „Jim Garrison“ Kevin Costner zuzuhören.

 

In den Jahren nach Natural Born Killers legte Stone künstlerisch und kommerziell eher eine Talfahrt hin. Auch mein persönliches Verlangen, mir Filme wie den müden Präsidenten-Biopic Nixon (1995) oder den unterm Strich irgendwie misslungenen „komödiantischen Film Noir“ U-Turn (1997; U-Turn – Kein Weg zurück; literarische Vorlage: John Ridley) oder das Sportdrama Any Given Sunday (1999; An jedem verdammten Sonntag) anzusehen, ist gleich null. Allerdings: Die Rede, die Al Pacino in Any Given Sunday vor seiner in der Kabine versammelten Football-Mannschaft hält, ist legendär und unbedingt hörens- und sehenswert! Wer sich aber nicht den ganzen Film geben will, der kann sich die Pacino-Rede natürlich auch auf YouTube ansehen :-).

Ganz und gar keine „Null-Bock“-Haltung empfinde ich bei Stones viel gescholtenem Monumentalfilm Alexander (2004), den ich persönlich immer als großartig empfunden habe und als ein würdiges Abbild der Antike. Besonders der vor ein paar Jahren erschienene Final Cut (2009; Alexander - Revisited) des Films ist nochmal zusätzlich sehenswert. Colin Farrell macht seine Sache als Alexander hervorragend und speziell jene Schlacht, in der Alexander verwundet wird und vor einem für den Kampf eingesetzten Elefanten von seinem Pferd herunter auf den Boden fällt, ist mehr als phänomenal inszeniert.

 

Nach dem von mir uneingeschränkt gemochten, von der Kritik schrecklich „gedissten“ und vom Publikum eher ignorierten Alexander habe auch ich allerdings dem Regisseur Oliver Stone, dessen Schaffen ich seit den 80er-Jahren, seit Platoon eben, stets meist begeistert verfolgt habe, ein wenig die Treue gekündigt. Lediglich zwei seiner Filme, die nach Alexander entstanden sind, habe ich mir angesehen, wobei ich den ersten davon, die zwischen Moralpredigt und Satire hin- und hergerissene Wall Street-Fortsetzung Wall Street: Money Never Sleeps (2010; Wall Street – Geld schläft nicht) mit Michael Douglas und Shia Labeouf, nach dem Betrachten tatsächlich weitgehend wieder vergessen habe. Aber auch der zweite Film, der gleichsam in visueller Coolness schwelgende Drogen-Thriller Savages (2012; literarische Vorlage: Don Winslow), der mit Blake Lively und Taylor Kitsch auch über eine recht „hippe“ Besetzung verfügt, kann nicht ganz an Stones frühere Meisterschaft anknüpfen, wenngleich das Werk mit dem darin erstmals ohne Toupet agierenden John Travolta, der eine Nebenrolle spielt, auf jeden Fall ein echtes Highlight bietet :-).

Immer und noch immer sehenswert sind aber unbedingt auch drei Filme, zu denen Oliver Stone das Drehbuch beigesteuert hat oder bei denen er am Drehbuch beteiligt war. Gemeint sind damit natürlich Alan Parkers Skandalfilm Midnight Express (1978; Midnight Express - Zwölf Uhr nachts), Brian De Palmas Howard Hawks-Remake Scarface (1983) und Michael Ciminos Gangsterfilm Year of the Dragon (1985; Im Jahr des Drachen). Für den umstrittenen "Ein Amerikaner in einem türkischen Gefängnis"-Film Midnight Express erhielt Stone seinerzeit sogar den Oscar für das beste adaptierte Drehbuch, welches nach Billy Hayes' gleichnamigem Non-Fiction-Book entstanden war.

 

 

III

 

Ted Bundy, Jeffrey Dahmer, John Wayne Gacy, Edward Gein, Charles Manson, Richard Ramirez.

Sie alle haben nicht nur zahlreiche Menschen getötet, oder, wie im Fall von Manson, zumindest andere dazu angestiftet Menschen zu töten, sondern sie geistern auch, sei es in Filmen oder in Songtexten oder in Büchern, allesamt durch die amerikanische Populärkultur.

 

Speziell in den 90ern wurde realen Monstern wie Bundy, Dahmer oder Gacy unanständig viel Raum gegeben sich darzustellen. So gibt es zum Beispiel ein Interviewbuch mit Ted Bundy, betitelt mit Ted Bundy: Conversations with a Killer – The Death Row Interviews (2000), in dem Stephen G. Michaud und Hugh Aynesworth den Frauenmörder befragen, was natürlich auch nicht mehr ergibt als das übliche „Rechtfertigungsgequatsche“, die üblichen abstrusen Theorien, mit denen speziell Serienmörder ihre Taten im Nachhinein oft zu rechtfertigen versuchen.  Vater und Sohn Dahmer durften sich überhaupt zur besten Sendezeit im US-TV treffen und über Jeffreys blutige Taten sprechen. Die Bilder, die der „Hobbykünstler“ John Wayne Gacy, einer der sadistischsten Mörder der US-Kriminalgeschichte, im Gefängnis gemalt hat, waren ein beliebtes Sammlerobjekt bei Schauspielern und Musikern.

Dass bei der Transformation des Serienkiller-Themas in Kunst, vor allem wenn reale Killer als Vorbilder für Filme oder Bücher sozusagen herhalten müssen, die Gratwanderung zwischen Opferverhöhnung und ernsthafter Auseinandersetzung stets eine heikle ist, ist klar. Insofern war es zum Beispiel auch wohltuend, eine Serie wie Aquarius (2015-2016) zu betrachten, in der David Duchovny als Cop Samson „Sam“ Hodiak den Killer und Kommunengründer Charles Manson (gespielt von Gethin Anthony) jagt. Aquarius verbietet sich eine voyeuristische oder effekthascherische Herangehensweise an die Thematik Manson und gerät zum beeindruckenden Sittenbild der späten 60er-Jahre, in dem auch die propagierte „freie Liebe“ als nicht anderes dargestellt wird, als das, was sie tatsächlich oftmals war, nämlich ein Vorwand für sexuellen Missbrauch in irgendwelchen abstrusen Kommunen. Sie können sich vielleicht vorstellen, dass ein Werk wie Aquarius in Österreich wie Blei in den DVD- und Blu-ray-Regalen liegt, was in Streaming-Zeiten vielleicht nicht viel aussagen mag, aber ich habe das leise Gefühl, dass beim Streamen im Zusammenhang mit diesem Serien-Meisterwerk auch nicht wirklich was läuft :-).        

 

Der Serienkiller als Held in TV-Interviews, als Medienphänomen, als Held der Populärkultur, diesem Phänomen trägt eben auch Oliver Stones Meisterwerk Natural Born Killers Rechnung. Stone inszeniert darin seine Hauptfiguren, nämlich das Serienkillerpärchen Mickey und Mallory Knox, gespielt von Woody Harrelson und Juliette Lewis, als Stars einer Medienwelt, als Medienfiguren, die abwechselnd einmal Teil einer brutalen Soap sind, dann wieder Teil einer reißerischen Pseudo-Doku, die sie auf ihrem gewalttätigen Trip durch eine von Populär-Mythen durchtränkte amerikanische Landschaft begleitet. Wobei der skrupellose Doku-Moderator Wayne Gale, großartigen gespielt von Robert Downey Jr., nicht viel weniger durchgeknallt erscheint als die Figuren, von denen er in American Maniacs, so der Name seiner TV-Sendung, berichtet. Ein zweiter Verrückter, der sich an die Fersen des Pärchens heftet, ist der Cop Jack Scagnetti, gespielt von Tom Sizemore, ein Detective und Buchautor, der sich selbst in seinem Buch „Scagnetti on Scagnetti“ als „Serienkiller-Experte“ hochstilisiert hat, in Wahrheit aber eine nicht weniger brutale Ader hat wie die Leute, die er verfolgt. Der Fernsehmacher Gale und der Buchautor Scagnetti sind, obwohl sie selbstverständlich auch karikaturartig wirken, Exponenten eben jener todessüchtigen US-Populärkultur, die das Serienkiller-Thema in den 90ern so intensiv ausgeschlachtet hat.

Höhepunkt des Films ist dabei zweifellos der Aufstand, den Mickey Knox während des TV-Interviews mit Wayne Gale in der Haftanstalt anzettelt, und zwar dank seines serienkillertypischen „Rechtfertigungsgequatsche“, das eine abstruse Theorie über „Natural Born Killers“ und „Natural Born Victims“ enthält, also das alte Lied von zweierlei Menschenklassen, von den „geborenen Jägern“ und dem „geborenen Wild“. Speziell in dieser langen Sequenz agiert Woody Harrelson, der ohnehin Mitte der 90er-Jahre, was Filme wie der formidable, von Oliver Stone produzierte und von Milos Forman inszenierte, The People vs. Larry Flynt (1996; Larry Flynt – Die nackte Wahrheit) beweisen, eine starke Phase hatte, überaus überzeugend und charismatisch.

 

Insgesamt kann man sagen, dass Stone auch seine Tendenz, den moralischen Zeigefinger allzu penetrant zu erheben, in Natural Born Killers stark eingeschränkt hat, was sicherlich auch daran liegt, dass der Geist von Tarantinos ursprünglicher Vorlage, auch durch Stones tiefgreifende Veränderungen, nicht todzukriegen war, denn wie man weiß, gehen Tarantino und moralischer Zeigefinger irgendwie nicht zusammen :-).

 

Dass aber Natural Born Killers jenes überwältigende Ereignis geworden ist, das mich schon damals, 1994, in jenem Grazer Kino schwer beeindruckt hat, dafür ist aber natürlich, neben dem bereits in Teil 1 dieses Artikels erwähnten genialen Soundtrack, auf dem sich eine ganze Reihe von Musik-Legenden wie Leonard Cohen, Patti Smith, Bob Dylan oder Dr. Dre verewigt haben, vor allem die Kameraarbeit von Robert Richardson verantwortlich, für die das Wort spektakulär noch untertrieben wäre. Stone hat Richardson dazu animiert, die gesamte Bandbreite visueller Ausdrucksformen zu nutzen. So bekommt der Zuseher, eingebettet in eine hohe Schnittfrequenz, verschiedene Filmformate vorgesetzt: VHS, 8mm, Super-8, 16mm, Super 16, S/W, 35mm, 70mm, so ziemlich alles eben, was man sich vorstellen kann. Spezielle Kamerafilter und Kameraobjektive tuen das Übrige. Die vollkommen unterschiedliche Körnung, die die Formate mit sich bringen, erzeugt die pseudo-dokumentarische Wirkung des Films sowie auch in manchen Sequenzen eine gewisse „Retro-Wirkung“. So weist zum Beispiel die Szene, in der Mickey und Mallory Knox in der Wüste einen Streit haben, die Körnung und die Farbgebung eines 70er-Jahre Streifens auf.

Wie man sich denken kann, musste Stone sich von Seiten der Medien und der Kritik den Vorwurf gefallen lassen, dass sein Film in Wirklichkeit nicht von der Glorifizierung von Gewalt durch Amerikas Medien handle, sondern eher selbst Gewalt glorifiziere. Dieser Gewaltglorifizierungsvorwurf wird ja oft, vorzugsweise von konservativen Kreisen, überhaupt als das Todschlagargument schlechthin gegenüber Gewaltdarstellung im Film und in anderen Kunstformen verwendet. Nur muss man leider sagen, dass sich auch Natural Born Killers den Vorwurf gefallen lassen muss, Personen zu realen Morden inspiriert zu haben, die offenbar im Geiste filmischer Vorbilder geschehen sind. So wurde zum Beispiel ein Bekannter des Bestseller-Autors John Grisham von zwei Jugendlichen ermordet, die den Film als direkte Inspiration für ihre Tat nannten, eine Tatsache, die Grisham bewog, Stone und die Time-Warner-Gesellschaft zu verklagen.

 

Serienkiller-Figuren eignen sich natürlich besonders zum Speisen von Allmachtsphantasien, aber das tun offenbar auch der Comic-Welt entsprungene Bösewicht-Figuren wie der Joker aus dem Batman-Film The Dark Knight (2008; Regie: Christopher Nolan), der ebenfalls für eine Reihe krimineller Taten als Vorbild hat herhalten müssen, wie das etwa bei James Holmes der Fall war, der 2012 in einem Kino in Aurora (Colorado) zahlreiche Menschen erschossen hat. Und tatsächlich muss man festhalten: Heath Ledgers legendäre und düstere Interpretation der Joker-Figur eignet sich weit mehr als Projektionsfläche für Verrückte als beispielsweise die von Jack Nicholson in dem Tim Burton-Film Batman (1989).

 

Nun gut: Wie ich in Teil 1 dieses Artikels schon gesagt habe: Filme wie Natural Born Killers, die zu der Zeit ihres Erscheinens erfolgreich auf der Welle des Zeitgeists geritten sind, sind heute völlig out und teilweise fast schon vergessen, weil es kein wirkliches Publikums-Bedürfnis mehr gibt, sich mit Freaks oder Gangstern oder Mördern oder Serienkillern auf eine abgründige filmische Reise zu begeben. Und das ist auch irgendwie verständlich, angesichts der Tatsache, dass gewisse Bedrohungen so real geworden sind. Dennoch erscheint mir Natural Born Killers heute wie ein sehenswertes Dokument aus besseren Kinotagen.

 

(ENDE von TEIL 2 des Artikels; Fassung vom 14.05.2018)