James Bond 007 – Der Mann mit dem goldenen Colt (1974)
(Originaltitel: The Man with the Golden Gun; Regie: Guy Hamilton)
„That’s if you’re Lord Litchfield and Roger Moore“
(Textzeile aus dem Robbie Williams-Song Handsome Man aus dessen Escapology-Album von 2002; der deklarierte James Bond- und Roger Moore-Fan Robbie Williams hat sich 2017, nach Moore’s Tod, sogar ein The Saint-/Simon Templar-Tattoo stechen lassen; Anmerkung: Die zweite in der Textzeile vorkommende Figur, Lord Litchfield, war einer der berühmtesten Fotografen Großbritanniens und „Hof-Fotograf“ der königlichen Familie)
One golden shot means another poor victim
Has come to a glittering end
If you want to get rid of someone
The man with the golden gun
Will get it done
He’ll shoot anyone
With his golden gun
(Ausschnitt aus The Man with the Golden Gun, dem Titelsong zu dem gleichnamigen Bond-Film von 1974, gesungen von Lulu, Musik von John Barry, Text von Don Black; ursprünglich hätte nicht die schottische Pop-Sängerin und Schauspielerin Lulu, Ex-Frau von Bee Gees-Legende Maurice Gibb sowie auch Ex-Frau des britischen Promi-Friseurs John Frieda und angebliche Ex-Geliebte des Ex-Take That-Mitglieds Jason Orange, den Titelsong beisteuern sollen, sondern tatsächlich Alice Cooper, dessen bereits 1973 entstandener Song Man with the Golden Gun, enthalten auf dem Album Muscle of Love, letztendlich dann doch nicht für den fertigen Film verwendet wurde – andere Namen, die seinerzeit als potentielle Titelsong-Kandidaten genannt wurden, waren Cat Stevens und Elton John; Lulu’s Beitrag gilt als einer der schwächsten und irgendwie auch „unbekanntesten“ James Bond-Titelsongs; auch John Barry, für den der 74er-Bond-Film eine Rückkehr zur Film-Serie markierte, denn bei Leben und sterben lassen war nicht er, sondern George Martin für die gesamte Musik verantwortlich gewesen, hat nachher stets betont, dass er Lulu’s The Man with the Golden Gun sowie eigentlich auch seinen eigenen Score zu dem Film hasse; der Song, dessen Lyrics sich, zumindest in seiner in der Titel-Sequenz, die wiederum von Maurice Binder gestaltet wurde, präsentierten Variante, mit dem von Christopher Lee gespielten Bond-Gegenspieler Francisco Scaramanga auseinandersetzen, in der End-Titel-Sequenz-Variante wird dann auch Bond selbst erwähnt, ist der einzige James Bond-Titelsong, der weder in den UK- noch in den US-Charts vertreten war; eine Art „Ehrenrettung“ des Titels versuchte man 2002 in einer zum Anlass des 40-jährigen Jubiläums der Film-Serie stattfindenden britischen TV-Show, in der man Lulu’s The Man with the Golden Gun, dessen „sexual innuendo“[innuendo: dt.: Anspielung] stets kritisiert wurde, als „raunchiest of all Bond-Songs“ bezeichnete – zur Erklärung: „raunchy“: anzüglich, schlüpfrig, „connected with sex in a very clear and obvious way“)
JAMES BOND
Wer würde wohl für meinen Tod eine Million Dollar bezahlen?
M
Eifersüchtige Ehemänner, wütende Chefs, verzweifelte Schneider. Die Liste ist endlos!
(aus: Der Mann mit dem goldenen Colt; „M“ Bernard Lee macht „007“ Roger Moore klar, dass er sich im Lauf der Zeit ganz sicher nicht nur Freunde gemacht hat; zur Erklärung: Der Auftragskiller Scaramanga erhält eine Million Dollar pro erledigtem Auftrag)
JAMES BOND
Moneypenny. Sie sind besser als ein Computer.
MONEYPENNY
In mancher Beziehung auf jeden Fall. Aber Sie machen ja keinen Gebrauch davon.
(aus: Der Mann mit dem goldenen Colt; „Flirty Text“ zwischen „Moneypenny“ Lois Maxwell und „James Bond“ Roger Moore; Maxwell und Moore kannten sich bereits aus ihrer gemeinsamen Zeit in der Londoner Royal Academy of Dramatic Art - abseits der sieben Bond-Film-Auftritte waren die beiden aber auch in der Simon Templar-Folge Mord im Palazzo von 1966 und in der Die 2-Folge Ja, wo rennen sie denn? von 1972 gemeinsam vor der Kamera zu sehen)
ANDREA ANDERS
Ich brauche 007!
(aus: Der Mann mit dem goldenen Colt; die Scaramanga-Geliebte „Andrea Anders“ Maud Adams zu „James Bond“ Roger Moore – nach dem Geständnis, dass sie die goldene Patrone mit dem darauf eingravierten „007“ zum MI6 nach London geschickt hat, damit Bond Scaramanga ausschaltet; die Originalfassung lautet: „I need 007!“)
No need to fear, James Bond is here – diese Textzeilen aus der End-Titel-Variante des Lulu-Songs The Man with the Golden Gun mögen ohnehin nur auf einen James Bond-Spirit zutreffen, den Sean Connery imstande war zu verbreiten und der dann erst wieder, so richtig, mit Daniel Craig Einzug in die Film-Serie gefunden hat. Aber: Der neunte James Bond-Film, Guy Hamilton’s Der Mann mit dem goldenen Colt, ist etwas Besonderes, denn der Film galt, lange bevor sozusagen Stirb an einem anderen Tag oder der ebenfalls von vielen Kritikern so gar nicht geschätzte Ein Quantum Trost (2008; Quantum of Solace; Regie: Marc Forster) auftauchten, irgendwie als „Tiefpunkt der Serie“, so wie wiederum Raymond Benson dies in seinem The James Bond Bedside Companion ausgedrückt hat. Selbst Albert R. Broccoli höchstpersönlich meinte 1982 einmal, dass Der Mann mit dem goldenen Colt derjenige Film aus der von ihm produzierten James Bond-Reihe wäre, den er, rückblickend, völlig anders umgesetzt hätte.
Kritisiert von der internationalen Kritik wurde seinerzeit vor allem auch die Leistung von Roger Moore bei dessen zweitem 007-Auftritt. Der deklarierte Roger Moore-Gegner Hans C. Blumenberg sprach in der Zeit sogar davon, dass Moore „hoffnungslos fehlbesetzt“ sei und durch ihn „James Bond nur noch eine blasse Imitation seiner selbst“. Janet Maslin wiederum, Kritikerin der New York Times, bescheinigte 1974 dem Film nicht nur einen „grundsätzlichen Mangel an Intelligenz“, sondern meinte im Zusammenhang mit Hauptdarsteller Moore, dass dieser als James Bond „lediglich seinen Vorgänger vermissen lasse“.
Nun, Der Mann mit dem goldenen Colt, den ich selbst in meinem Buch Ein Quantum Bond (2019) als „Großtat des filmischen Chauvinismus und Machismo“ bezeichnet habe, hat also wenig Begeisterung sowohl in der zeitgenössischen als auch in der späteren Betrachtung hervorgerufen – und fast könnte man meinen, die einzig positive Stimme wäre die von Chris Nashawaty von Entertainment Weekly, der 2008 in seinem Beitrag „Moore…and Sometimes Less“ meinte, Bond-Girl Britt Ekland trage darin zumindest „one of the series‘ best bikinis“.
Der Inhalt von Der Mann mit dem goldenen Colt:
Der hochbezahlte Auftragskiller Francisco Scaramanga erschießt, im Rahmen eines von seinem kleinwüchsigen Diener „Schnick Schnack“ [im Original: „Nick Nack“] auf seiner Insel im Chinesischen Meer [Anmerkung: Tatsächlicher Drehort war die thailändische Insel Ko Khao Phing Kan – diese wird mittlerweile sogar in Touristenführern oft als „James Bond Island“ bezeichnet] organisierten Duells, einen Chicagoer Gangster namens Rodney [gespielt von Marc Lawrence, der bereits 1971 in Diamantenfieber einen Auftritt als US-Gangster hatte]. In den Geisterbahn-artigen Räumlichkeiten, in denen Rodney getötet wird, befindet sich auch eine Wachsfigur von 007 [Anmerkung: Bei der in der Vortitel-Sequenz vorkommenden 007-Figur handelte es sich tatsächlich um ein Wachsfiguren-Modell von Roger Moore!].
James Bond wird in London von seinem Chef „M“ mit der Tatsache konfrontiert, dass beim MI6 eine goldene Patrone eingegangen ist, auf dessen Oberfläche sich ein eingraviertes „007“ befindet. Dies führt zu der Annahme, dass Scaramanga, der auch „The Man with the Golden Gun“ genannt wird, einen Auftrag erhalten hat, den Agenten zu töten. Bond wird von seiner aktuellen Mission entbunden, die sich um den Solar-Wissenschaftler Gibson dreht, der behauptet, die sogenannte „Energie-Krise“ [Anmerkung: Die „Energy Crisis“, auch „Erste Öl-Krise“, auf die der Film referiert, dauerte von Oktober 1973 bis März 1974 – die arabischen Öl-exportierenden Staaten verhängten ein Embargo gegen alle Staaten, darunter eben auch Großbritannien, die Israel im Yom Kippur-Krieg unterstützten] mit Solar-Kraft lösen zu können. 007 beginnt aber, letztendlich mit dem heimlichen Einverständnis von „M“, inoffiziell zu ermitteln und will Scaramanga, dessen Antlitz dem MI6 aber nicht bekannt ist, aufspüren.
Nachdem Bond eine von Scaramanga benutzte goldene Kugel einer Bauchtänzerin in Beirut abgenommen hat, die die Kugel, mit dieser soll Scaramanga einst Bond’s Kollegen 002 erschossen haben, gleichsam als Souvenir behalten hat, lässt er diese von der „Q“-Abteilung untersuchen. Dies bringt den Agenten auf die Spur des Herstellers und er reist nach Macau, wo er den aus Portugal stammenden Waffenschmied Lazar [gespielt von dem anglo-indischen Charakterdarsteller Marne Maitland] zur Rede stellt [Anmerkung: Macau, heute Sonderverwaltungszone Chinas, gehörte bis 1999 zu Portugal]. Durch Lazar’s Informationen spürt Bond Andrea Anders auf, die Geliebte von Scaramanga, die eine neue Packung der von Lazar hergestellten Gold-Munition in einem Casino abholt. 007 folgt Anders nach Hong Kong, wo er sie in ihrem Hotelzimmer [Anmerkung: Als Drehort fungierte das Peninsula Hotel Hong Kong in Kowloon – Kowloon und Hong Kong werden durch den Victoria Harbour getrennt] bezüglich Scaramanga zur Rede stellt, was zur Folge hat, dass Anders gegenüber Bond den „Bottoms Up Club“ [Anmerkung: Der Bottoms Up Club war tatsächlich ein Nachtclub in Hong Kong, der durch den Bond-Film dann quasi zu internationaler Berühmtheit gelangte] erwähnt. Es stellt sich heraus, dass der Club der Ort von Scaramanga’s nächsten Tötungsauftrages ist und das Opfer der Solar-Experte Gibson. Scaramanga’s kleinwüchsiger Handlanger Schnick Schnack entwendet dem Toten, ohne das Bond es merkt, dieser ist vor Ort anwesend und wird schließlich von Lieutenant Hip verhaftet, das Solex [im Original: „Solex agitator“], die zentrale Komponente einer Solar-Energie-Anlage [Anmerkung: Das Solex ist nichts weiter als eine Solar-Zelle – das zentrale Bauelement, um Sonnenstrahlen in elektrische Energie umzuwandeln].
Lieutenant Hip bringt Bond auf ein Boot, von welchem er im geeigneten Moment aber runterspringt und auf das Schiffs-Wrack der „RMS Queen Elisabeth“ im Victoria Harbour – das Wrack fungiert aber, wie der Agent bald erkennen muss, als geheimes Hauptquartier des MI6. Dort erhält Bond von „M“ offiziell den Auftrag das Solex wiederzubeschaffen.
Bond reist nach Bangkok, um Hai Fat zu treffen, einen reichen Industriellen, der in Verdacht steht, den Mord an Gibson in Auftrag gegeben zu haben. 007 gibt sich gegenüber Hai Fat als Scaramanga aus, nicht wissend, dass Scaramanga sich in Wahrheit auch auf Hai Fat’s Grundstück befindet und mit diesem offenbar gemeinsame geschäftliche Interessen verfolgt, die über einen simplen Auftragsmord hinausgehen und das Solex betreffen. Bond wird, als er am Abend zu dem Grundstück von Hai Fat [Anmerkung: Als Drehort hierfür diente der Hong Kong Dragon Garden, ein acht Hektar großer Privatbesitz in den New Territories von Hong Kong], auf dessen Einladung hin, zurückkehrt, gefangengenommen und in eine Kampfschule gebracht, die ebenfalls dem Industriellen gehört und deren Schüler den Auftrag haben, den Agenten zu töten. Nachdem Bond, mit der Hilfe von Lieutenant Hip und dessen beiden Nichten [gespielt von Qiu Yuen und Joie Vejjajiva - beide uncredited], entkommen kann, führt er die Flucht vor seinen Verfolgern mit einem motorisierten Sampan fort [Anmerkung: Ein Sampan ist ein flaches, breites Ruder- oder Segelboot – in Südostasien oft auch als Hausboot verwendet] und es gelingt ihm, sämtliche Verfolger abzuschütteln. Den Abend verbringt 007 dann mit seiner Assistentin Mary Goodnight, einer ebenso jungen wie ungeschickten Agentin, die seit Hong Kong an seiner Seite ist. Scaramanga tötet währenddessen Hai Fat auf dessen Anwesen und übernimmt damit das Imperium des Industriellen.
Anders enthüllt gegenüber Bond, in seinem Hotelzimmer, dass sie es war, die die goldene Patrone zum MI6 geschickt hat und dass sie will, dass Bond Scaramanga, dem sie ausgeliefert ist, tötet [Anmerkung: Die Beichte von Anders impliziert, dass Scaramanga, wie vom MI6 zunächst fälschlicherweise angenommen, selbst also keinen Tötungsauftrag bezüglich 007 oder dergleichen hat]. Sie verspricht 007, das Solex von Scaramanga zu stehlen und es ihm am nächsten Tag bei einem Muay Thai-Turnier [Anmerkung: Muay Thai, besser bekannt als Thai Boxing, ist eine thailändische Kampfsportart – gedreht wurden die Szenen im Lumpinee Boxing Stadium in Bangkok] zu übergeben. Doch bei dem Turnier findet Bond Anders nur mehr tot und in einem Sessel in den Besucherreihen platziert vor und trifft auf Scaramanga, der plötzlich neben ihm sitzt. Der Agent entdeckt das Solex, es liegt auf dem Boden des Stadions, und findet einen Weg, es Lieutenant Hip zu übergeben, der es wiederum Goodnight aushändigt. Diese versucht dann noch, ein Tracking-System an Scaramanga’s Auto anzubringen, wird aber, von Scaramanga persönlich, in den Kofferraum befördert und gefangengenommen. Daraufhin kommt es zu einer Autoverfolgungsjagd quer durch Bangkok zwischen Scaramanga und Bond, der ihm gemeinsam mit Sheriff J. W. Pepper, der als Bangkok-Tourist unterwegs ist und zufällig auf dem Beifahrersitz des Wagens sitzt, den Bond aus einem Autohaus gestohlen hat, folgt. Die Verfolgungsjagd endet damit, dass Scaramanga sein Auto in einer Garage zu einem Mini-Flugzeug umfunktioniert und vor Bond’s Augen mit Goodnight und Schnick Schnack davonfliegt.
007 fliegt, Goodnight’s Tracking-Signal folgend, mit einem Wasser-Flugzeug über rotchinesische Gewässer und landet auf Scaramanga’s Insel. Scaramanga heißt Bond willkommen und zeigt diesem seine Solar-Station, die er beabsichtigt, an den Höchstbietenden zu verkaufen. Danach demonstriert er gleichsam die Waffen-Kraft der Solar-Station, indem er 007’s Flugzeug mittels Solar-Strahl zerstört.
Scaramanga fordert Bond zu einem Pistolen-Duell. Unter der Aufsicht von Schnick Schnack wollen die beiden sich am Strand duellieren. Die beiden Männer stehen Rücken an Rücken und werden von Schnick Schnack aufgefordert, zwanzig Schritte zu machen. Als Bond sich umdreht und schießt, ist Scaramanga aber verschwunden. Schnick Schnack führt 007 in jene Geisterbahn-artigen Räumlichkeiten [Anmerkung: Die Architektur der Räumlichkeiten orientiert sich teilweise am filmischen Expressionismus – vor allem an Robert Wiene‘s Klassiker Das Cabinet des Dr. Caligari von 1920], in denen Scaramanga seine Gegner eigentlich zu empfangen pflegt und in denen eben auch Bond selbst als Wachsfigur steht. Der Agent nimmt den Platz der Wachsfigur ein, trickst Scaramanga somit aus und erschießt ihn. Währenddessen überwältigt die gefangene Agentin Goodnight den Sicherheitschef von Scaramanga, Kra [gespielt von dem Ex-Wrestler Sonny Caldinez, dessen Auftritt aber im Film sozusagen uncredited bleibt], und befördert dessen Körper in die mit Helium gefüllten Temperatur-Kontroll-Bottiche, was zu einem gefährlichen Temperatur-Anstieg führt. Bond kann das Solex aus der Anlage gerade noch entnehmen und mit Goodnight auf Scaramanga’s Dschunke [ein Segelschifftypus traditioneller chinesischer Bauart] flüchten, bevor die Insel in die Luft fliegt [Anmerkung: Als Vorbilder für das „island-blowing-up“ dienten den Machern angeblich Szenen aus Doku-Material von der Schlacht um Monte Cassino im Zweiten Weltkrieg]. Auf der Dschunke wollen sich Bond und Goodnight miteinander sexuell vergnügen, werden aber zunächst von Schnick Schnack davon abgehalten, der sich an Bord geschmuggelt hat und die beiden mit einem Messer attackiert. Der Agent sperrt Schnick Schnack in einen Weidenkorb und hängt diesen dann am Hauptmast des Schiffes auf. 007 bricht schließlich auch noch ein Telefonat mit seinem Chef „M“ ab und vergnügt sich stattdessen lieber auf der Dschunke weiter mit Goodnight.
HAI FAT
Ihre Anomalie habe ich immer für einen Mythos gehalten. In bestimmten Kulturen gilt so etwas als Zeichen von Unverwundbarkeit und besonderer sexueller Potenz.
JAMES BOND
Ich habe mich damit abgefunden.
(aus: Der Mann mit dem goldenen Colt; Dialog zwischen dem Industriellen „Hai Fat“, gespielt von Richard Loo, und „James Bond“ Roger Moore, der sich, mithilfe eines von der "Q-Abteilung" bereitgestellten „third nipple“, den er sich auf die Brust geklebt hat, als Scaramanga ausgibt)
JAMES BOND
He must have found me quite titillating.
(aus: Der Mann mit dem goldenen Colt; „James Bond“ Roger Moore zu „Lieutenant Hip“ Soon-Tek Oh nach seinem Besuch, als falscher Scaramanga, bei „Hai Fat“ Richard Loo; die amüsante Anspielung auf Scaramanga’s „third nipple“ funktioniert aber so richtig nur in der Originalfassung – „titillating“ bedeutet aufreizend, geil; in der deutschen Synchro wird aus dem Satz nur ein müdes „Ich wüsste nur zu gern, was der an mir findet“ – Moore spricht die Worte, nachdem er sich seine „falsche Brustwarze“ vom Oberkörper gerissen und sie weggeworfen hat)
Eines der zentralen Worte der Filmbranche lautet definitiv „eigentlich“. Eigentlich hatten Saltzman und Broccoli vorgehabt, Der Mann mit dem goldenen Colt schon nach Man lebt nur zweimal zu realisieren und eigentlich hätte Roger Moore dabei schon damals in die James Bond-Rolle schlüpfen sollen. Nach dem Lazenby-Bond Im Geheimdienst Ihrer Majestät war dann eine Verfilmung von The Man with the Golden Gun (Anmerkung: Der 12. und letzte 007-Roman war 1965 erschienen, ein Jahr nach Fleming’s Tod - er kursierte im deutschsprachigen Raum einige Zeit lang auch unter dem Titel "James Bond und der goldene Colt") abermals ein Thema für die Bond-Macher, aber das Projekt wurde ein zweites Mal zurückgestellt, diesmal bekanntlich für Diamantenfieber.
Tom Mankiewicz, der also zum dritten Mal mit dem Verfassen eines James Bond-Drehbuchs beauftragt wurde, übernahm, wie gewohnt, nur wenig aus der literarischen Vorlage und konzentrierte sich eher auf die Zuspitzung des Duells zwischen Bond und Scaramanga, also zwischen dem Agenten und seinem Widersacher, den man sozusagen mit einem besonderen Merkmal, mit einer physiognomischen Anomalie, ausgestattet hat, nämlich mit einer „superfluous papilla“, einer „überzähligen Papille“, oder, wie Bond zu seinem diesbezüglich leicht entrüsteten Chef „M“ einmal meint, mit einem „third nipple“.
Ein Streit mit Regisseur Guy Hamilton ließ Mankiewicz aus dem Projekt aussteigen, was dazu führte, dass man Richard Maibaum wieder an Bord holte, der bei Leben und sterben lassen überhaupt nicht involviert war und dessen Verhältnis zu Harry Saltzman als etwas angespannt galt. Maibaum überarbeitete Mankiewicz’s Skript, was eine genaue Umkehrung jener Situation bedeutete, die 1971 beim Connery-007-Comeback-Film Diamantenfieber vorgeherrscht hatte, nämlich, dass Mankiewicz Maibaum’s Skript überarbeitete.
Während Tom Mankiewicz in seinem Skript den Bösewicht „Francisco Scaramanga“ eher zu so etwas wie Bond’s Alter Ego hochstilisiert hatte, zu einer Art „dunklen Version“ des Agenten (Anmerkung: Als ein „Überbleibsel“ aus Mankiewicz’s Drehbuch-Ur-Version mögen Maud Adam’s an Roger Moore gerichtete Worte „Er [Scaramanga] ist Ihnen sogar irgendwie ähnlich“ gelten), und das Grundgerüst der Handlung zudem an den von Giganten-Regisseur George Stevens inszenierten Western-Klassiker Mein großer Freund Shane (1953; Shane) orientierte, ließ sich Maibaum von der damals kursierenden „Energy Crisis“ inspirieren und führte mit dem sogenannten Solex, jenem im Film vorkommenden Element einer Solar-Station, das gleichsam die Kraft der Sonne konzentrieren kann (mit anderen Worten: es handelt sich dabei um eine Solar-Zelle), eine Art MacGuffin ein (Anmerkung: Der von Alfred Hitchcock geprägte Begriff bezeichnet mehr oder weniger beliebige Objekte oder Personen, die in einem Film dazu dienen, die Handlung auszulösen beziehungsweise voranzutreiben, ohne selbst unbedingt von großem Nutzen zu sein).
Da Fleming’s Roman-Vorlage größtenteils in Jamaika spielt und man dort bereits für Dr. No sowie für Leben und sterben lassen gedreht hatte, entschied man sich, auch angesichts des durch Bruce Lee-Filme wie Der Mann mit der Todeskralle (1973; Enter The Dragon; Regie: Robert Clouse) oder Die Todeskralle schlägt wieder zu (1972; Way of the Dragon; Regie: Bruce Lee) ausgelösten Martial Arts-Film-Booms der 70er, für asiatische Locations in Macau, Hong Kong und Thailand. Die expliziten Anleihen an Kung Fu-Filme in Der Mann mit dem goldenen Colt, in Leben und sterben lassen hatte man sich ja noch recht gelungen beim Blaxploitation-Genre bedient, haben Tom Mine vom britischen Observer einmal dazu bewogen, von „depressing borrowings from Hong Kong kung fu movies“ zu sprechen, und in der Tat sind die in dem 74er-Film eingebauten Martial Arts-Elemente wenig überzeugend dargeboten (man denke nur an den langweiligen Fight in der Kampfschule zwischen 007 und „Chula“ Chan Yiu Lam!) und verlieren spätestens dann endgültig jedwede Glaubwürdigkeit, als der von Soon-Tek Oh (bekannt auch als denkwürdig sadistischer Chuck Norris-Gegenspieler in Missing in Action 2 – Die Rückkehr von 1985) gespielte „Lieutenant Hip“ sowie dessen zwei Nichten mit der ganzen Hai Fat-Kampfsport-Schule aufräumen, deren Schüler allesamt 007 an den Kragen wollen.
Was Mankiewicz’s und Maibaum’s Drehbuch betrifft, beide wurden letztendlich in der Titelsequenz als Drehbuchautoren angeführt, so muss man fast der Zeitschrift Entertainment Weekly zustimmen, die 2006 im Zusammenhang mit Der Mann mit dem goldenen Colt den eher „mickrigen Plot“ des Werks bekrittelte. Aber auch Guy Hamilton’s Regie (Anmerkung: Für Hamilton war Der Mann mit dem goldenen Colt sein vierter und letzter Bond-Film und nur John Glen hat mehr, und zwar insgesamt gleich fünf, Bond-Filme inszeniert) wirkt eher einfallsarm, wobei der Gipfel an Einfallslosigkeit der Umstand darstellt, dass, auf Hamilton’s ausdrücklichen Wunsch hin, die Figur des „Sheriff J. W. Pepper“, die bekanntlich bereits in Leben und sterben lassen vorkommt, in dem Film erneut einen Auftritt hat. War der von Clifton James (begann seine Karriere 1967 in dem Paul Newman-Stuart Rosenberg-Gefängnisdrama Der Unbeugsame) gespielte und leicht vertrottelte sowie chauvinistische US-Südstaaten-Sheriff in Leben und sterben lassen ja irgendwie noch erträglich, wirkt er in Der Mann mit dem goldenen Colt, als rassistisch-nerviger Bangkok-Tourist, der zufällig wieder auf Bond trifft und mit diesem sogar eine Autoverfolgungsjagd als Beifahrer absolviert, völlig deplatziert.
SCARAMANGA
Wissen Sie, ich dachte immer, mein größtes Glück sei meine Liebe zu Tieren. Aber dann entdeckte ich ein noch größeres Glück: Menschen zu erschießen.
(aus: Der Mann mit dem goldenen Colt; „Scaramanga“ Christopher Lee zu „James Bond“ Roger Moore während des Kampfsport-Turniers; zur Erklärung: Scaramanga erzählt Bond davor eine Geschichte, wie er den sadistischen Wärter eines gequälten und schließlich getöteten Elefanten erschossen hat – gleichsam die Geschichte der Entdeckung seiner eigentlichen „Passion“)
SCARAMANGA
Ein Duell zwischen Titanen. Mein goldener Colt gegen Ihre Walther PPK.
(aus: Der Mann mit dem goldenen Colt; Scaramanga lädt Bond, den er für einen gleichwertigen und also würdigen Gegner hält, auf seiner Insel zu einem Duell ein)
JAMES BOND
There’s a useful four letter word, and you’re full of it.
(aus: Der Mann mit dem goldenen Colt; vor dem Duell macht „James Bond“ Roger Moore seinem Widersacher „Scaramanga“ Christopher Lee noch einmal unmissverständlich klar, was er von ihm hält; die deutsche Synchro macht aus Moore’s offensiven Worten ein: „Es gibt einen Kraftausdruck. Der trifft voll auf Sie zu.“)
Während man von Roger Moore seinerzeit behauptete, er wäre als James Bond 007-Darsteller wahrscheinlich der Letzte, der ein schlechtes Drehbuch wettmachen könne, so galt damals der von Christopher Lee gespielte Bösewicht "Francisco Scaramanga" als, sinngemäß, „the best-characterized Bond-villain yet“.
Christopher Lee (1922-2015), den wohl berühmtesten Dracula-Darsteller aller Zeiten, als Filmlegende zu bezeichnen wäre eine grobe Untertreibung, denn die Liste der bedeutenden Filme, in denen der mit einer ungemein charismatischen Sprechstimme ausgestattete Lee mitgespielt hat, ist beeindruckend und reicht von Horrorfilm-(Billig-)Produktionen aus der Schmiede der berühmten britischen Hammer-Studios, wie eben Dracula (1958; Regie: Terence Fisher; literarische Vorlage: Bram Stoker; Van Helsing: Peter Cushing), über Auftritte als böser Zauberer „Saruman“ in der Herr der Ringe-Trilogie (2001-2003; Lord of the Rings-Trilogie; Regie: Peter Jackson) bis hin zu der Rolle des zur dunklen Seite der Macht gewechselten Jedi-Ritters „Count Dooku/Darth Tyranus“ in den beiden von George Lucas inszenierten Star Wars-Filmen Angriff der Klonkrieger (2002; Star Wars: Episode II – Attack of the Clones) und Die Rache der Sith (2005; Star Wars: Episode III – Revenge of the Sith).
Erste Wahl für die Rolle des Bond-Bösewichts Scaramanga wäre ursprünglich Jack Palance gewesen, nicht zuletzt deshalb, weil dieser auch eine Rolle in dem von Tom Mankiewicz als Vorbild für sein Drehbuch erkorenen Western Mein großer Freund Shane gespielt hatte (Anmerkung: Das, übrigens gekürzte, Duell am Ende des Films zwischen Bond und Scaramanga ist tatsächlich an das finale Shootout von Mein großer Freund Shane angelehnt). Lee (Christopher Lee ist übrigens ein entfernter Cousin von Ian Fleming und Fleming soll sogar die Figur des „Dr. No“ nach Lee’s Vorbild geschaffen haben), der den Scaramanga-Part dann schließlich erhielt, wollte mit der Rolle in Der Mann mit dem goldenen Colt angeblich vor allem von seinem hartnäckigen „Horror-Film-Image“ wegkommen.
Christopher Lee’s Scaramanga ist ein, für James Bond-Film-Verhältnisse, recht überzeugender Bösewicht geworden, mehr ein „eiskalter und eiskalt lächelnder Psychopath mit einer überzähligen Papille und Freude am Auftragskillen“ als ein Superschurke vom Rang eines Blofelds. Durch seine Scaramanga-Rolle soll Lee, aus zeitlichen Gründen, übrigens leider „unable“ gewesen sein, den Part des „Experten“ in Ken Russell’s Musikfilm Tommy (1975; basierend auf der gleichnamigen Rockoper von The Who) anzunehmen – der besagte Part des „Specialist“ ging dann an Jack Nicholson.
Der Haupt-Bösewicht Scaramanga ist eine Figur, die in gewisser Weise auch die „Gadget-Hoheit“ in Der Mann mit dem goldenen Colt hat, denn Moore ist darin ein äußerst „Gadget-armer“ 007, der so richtig nur seine ihm von „Q“ Desmond Llewelyn organisierte künstliche dritte Brustwarze auf der Habenseite hat, mit deren Hilfe er sich gegenüber Hai Fat einmal als Scaramanga ausgibt.
Bemerkenswert in punkto Gadgets ist vor allem Scaramanga’s speziell für ihn gebaute und zerlegbare goldene Pistole(!), denn bei der Schusswaffe handelt es sich um keinen „Colt“, wie im deutschen Titel angedeutet. Ohne nachzuladen kann aus der Pistole, in die lediglich das (fiktive) Kaliber 4,2mm passt, nur ein Schuss abgefeuert werden. Bevor „Scaramanga“ Christopher Lee im Film „Hai Fat“ Richard Loo erschießt, baut er vor dessen Augen die Waffe zusammen, und zwar aus einem Füllfederhalter (Lauf), einem Zigaretten-Etui (Griff) sowie einem Feuerzeug (Verschluss). In der Romanvorlage jedoch benutzt Scaramanga einen „Colt Single Action Army“, den ersten Patronenrevolver mit geschlossenem Rahmen, dessen 6-schüssige Trommel durch Spannen des Hahns weitergedreht wird.
Scaramanga’s „Golden Gun“ (Christopher Lee musste bei den Dreharbeiten mit drei Golden Gun-Modellen hantieren – einem „festen“ Modell, einem zum Abfeuern und einem zum Zusammenbauen) besitzt sicherlich Kultstatus und schaffte es 2008 in einem 20th-Century-Fox-Poll der „Most Popular Film Weapons“ sogar auf Platz 6 (Die Plätze 1-3 belegten das Lichtschwert aus den Star Wars-Filmen, Dirty Harry’s 44er Magnum und Indiana Jones‘ Peitsche). Im Rahmen der Merchandising-Kampagne zu Der Mann mit dem goldenen Colt war seinerzeit auch eine „James Bond 007 Pistole in Gold“ der Firma Lone Star Toys erhältlich, die aber ihrem Aussehen nach eher einer Walther P38 mit Schalldämpfer ähnelte.
Der Mann mit dem goldenen Colt war übrigens damals überhaupt der erste Bond-Film, in dem der Agent einen "main antagonist" mit einer Schusswaffe, in diesem Fall mit der klassischen Walther PPK, tötete – später in der Film-Serie kam das nur mehr in Der Spion, der mich liebte (1977; The Spy Who Loved Me; Regie: Lewis Gilbert) und in Die Welt ist nicht genug vor, im erstgenannten Film erschießt Bond am Ende „Karl Stromberg“ Curd Jürgens, im zweitgenannten, dort in der Gestalt von Pierce Brosnan, „Elektra King“ Sophie Marceau.
Ein weiteres recht denkwürdiges „Scaramanga-Gadget“ stellt natürlich auch dessen „Flugzeug-Auto“ dar, der AMC Matador, dem Scaramanga und Schnick Schnack, am Ende der Autoverfolgungsjagd quer durch Bangkok (Bond und Sheriff Pepper fahren dabei einen AMC Hornet), in einer Garage Flügel verpassen und mit dem die beiden, samt der gefangenen "agent Goodnight" im Kofferraum, vor Bond’s und Sheriff Pepper’s Augen davonfliegen.
Was für die tendenziöse Homosexuellen-Darstellung in Diamantenfieber von 1971 gilt, das gilt sozusagen auch für die „Zwergen“-Darstellung in Der Mann mit dem goldenen Colt – heutzutage wäre eine derartige „politische Unkorrektheit“ in der Darstellungsweise undenkbar. Der Neben-Bösewicht „Nick Nack“, in der deutschen Synchro, für die übrigens Roger Moore’s Standardsynchronsprecher Niels Clausnitzer verantwortlich war, „Schnick Schnack“ genannt, der kleinwüchsige und „garstige“ Sidekick von Scaramanga, den Bond am Ende sogar in einen Koffer steckt, dann in einen Weidenkorb und auf dem Hauptmast von Scaramanga’s Dschunke aufhängt, wird von Hervé Villechaize gespielt, der, aufgrund seiner Rolle in dem James Bond-Film, der vielleicht populärste kleinwüchsige Darsteller der Filmgeschichte ist. Villechaize, der 1993 in seinem Haus in Los Angeles Suizid beging, war von 1977-1984 auch in der Rolle des „Tattoo“, des Assistenten des mysteriösen Millionärs „Mr. Roarke“, gespielt von Ricardo Montalban, in der TV-Serie Fantasy Island zu sehen.
JAMES BOND
Man hat mich trainiert, stets das Unerwartete zu erwarten. Aber: Auf dich im „Nightie“ hat mich niemand vorbereitet.
(aus: Der Mann mit dem goldenen Colt; „James Bond“ Roger Moore zu Haupt-Bond-Girl „Mary Goodnight“ Britt Ekland, die ihn, nur bekleidet mit einem sehr kurzen Nachthemd, in seinem Hotelzimmer erwartet)
SCARAMANGA
Ich mag Mädchen im Bikini. Keine versteckten Waffen.
(aus: Der Mann mit dem goldenen Colt; „Scaramanga“ Christopher Lee zu „007“ Roger Moore angesichts des Bikinis, den die von ihm entführte „Agentin Goodnight“ Britt Ekland auf seiner Insel tragen muss; der Bikini wurde auch schon als „one of the series‘ best bikinis“ bezeichnet)
JAMES BOND
Miss Anders! In einem Kleid hätte ich Sie beinah nicht wiedererkannt.
(aus: Der Mann mit dem goldenen Colt; „James Bond“ Roger Moore zu „Andrea Anders“ Maud Adams, die gerade sein Hotelzimmer in Bangkok betritt; zur Erklärung: Bond’s Aussage bezieht sich darauf, dass er in Hong Kong in Anders‘ Hotelzimmer eingebrochen ist, während sie gerade unter der Dusche stand)
„Mary Goodnight“, die Figur, die die schwedische Schauspielerin Britt Ekland in Der Mann mit dem goldenen Colt darstellt, wird in der Regel mit wenig charmanten Beschreibungen versehen. Die Times, genauer: David Robinson, sprach seinerzeit von einem „beautiful idiot sidekick“ und bezeichnete das Bond-Girl Goodnight sogar als „the least appealing of the Bond heroines“, also als „die am wenigsten ansprechendste aller Bond-Heldinnen“.
Und ja: Das Haupt-Bond-Girl von Der Mann mit dem goldenen Colt ist nicht nur die vielleicht „ungeschickteste Agentin aller Zeiten“, sondern auch noch die Karikatur einer „dumb blonde“ par excellence, die, speziell im Finale, für so ziemlich jedes Malheur verantwortlich ist, das noch nach dem Tod von Scaramanga passiert, letztendlich auch für den Umstand, dass dessen gesamte Insel in die Luft fliegt.
Zunächst hatte Ekland, die von 1964-1968 mit Peter Sellers verheiratet war und der Ende der 70er zum Beispiel auch eine Affäre mit dem österreichischen Schauspieler und Luchino Visconti-Star Helmut Berger nachgesagt wurde, für die Rolle der Scaramanga-Geliebten „Andrea Anders“ vorgesprochen, erhielt dann aber den Part der Bond-Assistentin „agent Goodnight“.
Ein Jahr vor Der Mann mit dem goldenen Colt war Ekland, die, trotz aller Kritik, irgendwie zu den „most fashionable Bond-Girls“ zählt und auch in diversen Bond-Rankings dieser Art immer ganz vorne zu finden ist, auch in dem Horror-Kultfilm The Wicker Man (1973; Regie: Robin Hardy) zu sehen – einer ihrer Co-Stars in dem Werk, das oft auch als „Citizen Kane des Horror-Films“ bezeichnet wurde: Scaramanga-Darsteller Christopher Lee!
So richtig arm dran in Der Mann mit dem goldenen Colt ist aber Bond-Girl Nummer 2, das Neben-Bond-Girl „Andrea Anders“, gespielt von Maud Adams. Nicht nur, dass ihr Scaramanga, aus Rache für ihren Verrat, irgendwann eine seiner goldenen Kugeln verpasst, nein, auch Bond selbst geht nicht gerade zimperlich mit ihr um, denn der Agent ohrfeigt sie nicht nur, sondern dreht ihr einmal auch den Arm auf den Rücken, was, wie ich auch schon mal im Teil 1 von Ein Quantum Bond, und dort im Kapitel über Diamantenfieber, als eine nicht ganz untypische Art der Frauenbehandlung und Vorgehensweise zwecks „Informationsbeschaffung“ im 70er-Jahre-Kino klassifiziert habe.
Die Schwedin Maud Adams, die ursprünglich Model war, hat einen Sonderstatus innerhalb der James Bond-Serie, denn sie ist bis zum heutigen Tag das einzige Bond-Girl, das in zwei Bond-Filmen in einer unterschiedlichen Rolle auftritt, in Der Mann mit dem goldenen Colt eben als "Andrea Anders", in einem weiteren Roger Moore-Bond, nämlich in Octopussy (1983; Regie: John Glen), dann als Titel-gebende Juwelen-Schmugglerin und Geschäftsfrau „Octopussy“. Darüber hinaus hat Adams, die in zahlreichen Fernsehserien in Gastrollen zu sehen war, so zum Beispiel in Kojak – Einsatz in Manhattan (1973-1978; Originaltitel: Kojak) oder in Starsky & Hutch (1975-1979), auch einen Cameo-Auftritt im letzten Moore-Bond Im Angesicht des Todes (1985; A View To A Kill; Regie: John Glen), der deswegen zustande kam, weil sich Adams damals zufällig in der Nähe der Dreharbeiten aufgehalten hatte.
Gleichsam als Neben-Neben-Bond-Girl mit wenig Leinwandzeit könnte man noch Carmen du Sautoy bezeichnen, die „Saida“, eine Bauchtänzerin in Beirut, spielt, die ein Andenken an den Bond-Kollegen 002, ihrem Ex-Geliebten, auf ihrem Bauchnabel trägt, nämlich eine von Scaramanga’s goldenen Kugeln, mit der 002 einst von diesem erschossen wurde. Im Ur-Skript von Tom Mankiewicz wurde die Bauchtänzerin, aus welchen Gründen auch immer, noch als „übergewichtig“ und „auffällig viel Make-up tragend“ beschrieben – schließlich entschied man sich aber doch dafür, Roger Moore im Film den Bauch einer eher „schlanken“ Bauchtänzerin küssen zu lassen, um an das wahre Objekt seiner Begierde, nämlich an das goldene Projektil von Scaramanga, zu kommen.
Die Weltpremiere von Der Mann mit dem goldenen Colt fand am 18. Dezember 1974, unter Anwesenheit von Roger Moore, Britt Ekland, Maud Adams, Hervé Villechaize sowie auch des „Prinzgemahlen“ der britischen Königin Elisabeth II., Prinz Philip, im „Odeon Leicester Square“ in London statt.
Das Werk lukrierte, bei Kosten von 7 Millionen US-Dollar, weltweit nur etwa 97,6 Millionen US-Dollar (inflationsbereinigt wären das heutzutage rund 448 Millionen US-Dollar), was den 74er-Bond-Film zu einem der „lowest grossing films in the series“ macht – der bis zum heutigen Tage tatsächlich „lowest grossing Bond film“ hingegen bleibt aber der Timothy Dalton-Bond Lizenz zum Töten (Licence to Kill; Regie: John Glen) von 1989 mit einem weltweiten Einspielergebnis von nur rund 285 Millionen US-Dollar.
Auch in grundsätzlich Bond-begeisterten Ländern wie den Vereinigten Staaten oder Deutschland (damals eben noch BRD) schien das Interesse an dem britischen Agenten nachzulassen, denn in den USA erreichte Der Mann mit dem goldenen Colt nur mehr etwa 10,25 Millionen Besucher und in Deutschland nur mehr 3 Millionen Besucher (zum Vergleich: Leben und sterben lassen hatte ein Jahr zuvor noch über 20 Millionen Besucher in die US-Kinos und rund 5 Millionen Besucher in die bundesdeutschen Kinos gelockt).
Das durchwegs schlechte Standing, das Roger Moore’s zweiter 007-Auftritt stets bei Kritik und Publikum hatte, bildet sich natürlich auch in den diversen Bond-Film-Rankings ab.
So landete das Werk im 2006er-Ranking von Entertainment Weekly auf Platz 18 von 21. Die Besucher der Website „MI6-HQ.com“ schlossen sich in einem Voting von 2011/2012 quasi Entertainment Weekly an und setzten es ebenfalls auf Platz 18 der Wertung. 2012, als man gleichsam mit Sam Mendes‘ Skyfall (2012) auch „50 Jahre James Bond“ feierte, landete Der Mann mit dem goldenen Colt beim 007-Magazine-Voting auf Platz 17 und beim Voting des Rolling Stone auf Platz 14. Im „50 Jahre James Bond“-Heft der Zeitschrift Stern bedachte man das Werk, wenig wohlwollend, mit nur einem Stern von 5 möglichen Sternen, was der Wertungs-Kategorie „miserabel“ entsprach.
Der Mann mit dem goldenen Colt, Moore-Bond Nummer 2 und für viele Fans und Kritiker also zweifellos auch „one of the least interesting Bond films“, hat grundsätzlich ein gutes Konzept, scheitert aber irgendwie an seiner schlampigen Ausführung. So ist zum Beispiel der Aspekt, dass Regisseur Guy Hamilton am Anfang seines Films einen Chicagoer Gangster (in der Gestalt von Marc Lawrence) auf der Scaramanga-Insel auftreten lässt, der noch dazu äußerst klischeehaft wie ein „typischer Gangster aus Chicago“ gekleidet ist, so ganz und gar nicht „interessant“, wie Hamilton selbst gemeint hat, sondern eher ein Element, das den Bond-Film auf Jerry Cotton-Film-Niveau herunternivelliert.
Andererseits bietet Der Mann mit dem goldenen Colt einen der besten James Bond-Film-Stunts aller Zeiten, nämlich den 360 Grad-„aerial twist“, den „007“ Roger Moore mit „Sheriff J. W. Pepper“ Clifton James als Beifahrer in seinem AMC Hornet ausführt. Der Sprung von einem Brückenteil zum anderen Brückenteil, bei dem das Auto, aufgrund der Schräge des Brückenteils, von dem es wegspringt, in der Luft eben eine volle Umdrehung macht, wurde in Wahrheit natürlich nicht von Roger Moore, sondern von Stunt-Profi Loren „Bumps“ Willard durchgeführt, der den Stunt auf Anhieb, beim 1. Take, in den Kasten brachte. Die Eon Productions Ltd. hat sich den von Raymond McHenry kreierten Stunt sogar lizensieren lassen und „James Bond“ Roger Moore nennt im Film auch die Stuntman-Legende, der er gewidmet ist, denn bevor Bond den Hornet auf die Brücke steuert, fragt er Sheriff Pepper noch: „Schon mal was von Evel Knievel gehört?“
(Neu überarbeitete Fassung; Ur-Fassung: 28.05.2019)