„The dog who is so angry he cannot move. He cannot eat. He cannot sleep. He can just barely growl. ...Bound so tightly with tension and anger, he approaches the state of rigor mortis [`Vor lauter Zorn kann sich der Hund nicht bewegen. Er kann nicht fressen. Er kann nicht schlafen. Er kann nur leise knurren. Er ist so wütend und verkrampft, dass jeden Moment die Totenstarre eintreten kann`]“
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„Ich arbeite lieber mit Freunden. Denen kann ich nach einer verkorksten Szene sagen: `Das war wirklich entsetzlich, mach’s nochmal`“
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„Filme machen hat sehr viel Handwerkliches an sich. Da ist gar nicht so viel, was nur aus dem Kopf und akademisch entwickelt wird, sondern: es hat was Athletisches an sich, es hat was sehr stark Handwerkliches an sich“
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„Super, das sah toll aus, echt cool!“
„Eins, zwei, drei, los! Schnitt! Hervorragend!“
(Zitat 1: gleichsam „Basis- & Einleitungstext“ (dt. Übersetzung: gemäß Robert Fischer’s „David Lynch – Die dunkle Seite der Seele“) von David Lynch‘s Comic-Strip „THE ANGRIEST DOG IN THE WORLD“, den Lynch ab 1983 immer wieder in der Wochenzeitschrift L.A. Reader veröffentlicht hat; zur Erklärung: Der Comic-Streifen / der „statische Comic-Strip“ sah jedes Mal gleich aus und bestand aus vier Bildern, auf denen ein schwarzer & knurrender Hund zu sehen war, der hinter einem Haus mit einer Leine an einen Pflock gebunden war; die ersten drei Bilder waren vollkommen identisch, auf dem letzten Bild jedoch war es Nacht, wobei der Hund auch in der Nacht unverändert an seiner Leine zerrte sowie knurrte; der oben zitierte einleitende Text blieb also immer derselbe, was sich allerdings veränderte, war der Inhalt der Sprechblasen, die in Bild 1 & 2 aus dem Fenster des Hauses kamen und die diverse „philosophische Gedanken“ der unsichtbar bleibenden Hundebesitzer, wie z. B. den Satz „Unglücklicherweise gibt es im Leben ein unvermeidliches Quantum an Unwägbarkeiten“, abbildeten (wobei nicht ganz klar ist, ob es nicht das „philosophische Gedankengut von Herrchen & Frauchen“ ist, das den Hund zur Raserei treibt); // Zitat 2: Aussage von Woody Allen aus dem Jahr 1988; Quelle: Interview-Buch „Wir handeln mit Träumen – Von Woody Allen bis Steven Spielberg“ (Autor: Michael Schaper); // Zitat 3: Aussage von Werner Herzog in „Was ich bin, sind meine Filme“, einer Doku/Interview-Session, in der Herzog mit Interviewer Laurens Straub quasi die Jahre von Lebenszeichen (1968) bis Stroszek (1977) Revue passieren lässt; // Zitate 4: QT beim Regieführen auf dem Hateful Eight-Set – Quelle: Doku „Beyond the 8“; // für seine RESERVOIR DOGS-Wilde Hunde-Variante THE HATEFUL EIGHT hat QUENTIN TARANTINO mit Samuel L. Jackson, Kurt Russell sowie Tim Roth & Michael Madsen abermals ein paar seiner „closest friends“ gecastet, von denen zwei, wie bereits erwähnt, bekanntlich schon in Tarantino’s Debütfilm mitgewirkt haben – „Für Filme von Quentin Tarantino sind Michael Madsen und Tim Roth einfach die perfekte Besetzung“ (Kurt Russell); der „athletische & handwerkliche Teil“ (also: die Dreharbeiten zu dem Western) fand, ab Dezember 2014, „in the state of Colorado“ statt, und zwar vorwiegend „on the Schmid Ranch“ ganz in der Nähe von Telluride, einem Ort, der vor allem auch durch das Telluride Film Festival bekannt ist, auf dem im Laufe der Jahre auch Meisterwerke des US-Kinos wie Jim Jarmusch’s Stranger Than Paradise (1984) oder David Lynch’s Blue Velvet (1986) & Mulholland Drive (2001) ihre Uraufführung erlebt haben)
„Um zu beweisen, dass man seriös ist, und damit Leute bereit sind, Mittel bereitzustellen, muss man irgendeine Art von Dokument vorweisen. Wenn ich ein Skript schreibe, versuche ich, darin so viel Information wie möglich unterzubringen. Es entsteht dann so etwas wie eine Orchesterpartitur, der jedes Mitglied eines 100köpfigen Orchesters entnehmen kann, was von ihm oder ihr erwartet wird. Ich bringe in einem Skript so viel unter, dass gelegentlich auch Unfilmbares zu finden ist, beispielsweise der Geruch von Blumen“
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„Es ist wie in einem Krimi. Den Protagonisten […] kann man nicht trauen. Sie sind alle gemeinsam in einem Raum, den sie nicht verlassen können. Draußen tobt ein Schneesturm, der die Rolle eines Monsters hat. Er würde sie verschlingen. Die Figuren sind typisch US-amerikanisch: ein schwarzer Kavallerieoffizier, der Sohn eines Deserteurs aus den Südstaaten, ein General der Konföderierten und ein paar weitere, ruchlose Personen. Ich warte ab, was die Mischung hervorbringt“
(Zitat 1: Aussage von Peter Greenaway, mit Werken wie Der Bauch des Architekten (1987) oder Verschwörung der Frauen (1988) einst einer der besten, experimentierfreudigsten & kompromisslosesten Filmemacher des europäischen Kinos und ein wahrer Meister der Filmarchitektur sowie der Darbringung opulenter Bilder, über das Schreiben von Drehbüchern - Quelle: Buch „Die Schönheit des Schrecklichen – Peter Greenaway und seine Filme“ aus 1995 (Autor: Jean Lüdeke); // Zitat 2: Statement von Quentin Tarantino zur „Mischung aus wenig vertrauenswürdigen & ruchlosen Personen“, die die Grundlage für sein Hateful Eight-Skript bildete, das aber überwiegend, wie eigentlich alle Tarantino-Skripts, nicht aus Beschreibungen diverser Art besteht, sondern aus Dialogen, welche, um auf den CHRIS MANNIX-Darsteller Walton Goggins zurückzukommen, teilweise dann auch wirklich „zehn Seiten lang“ sind – Quelle: Doku „Beyond the 8“)
Wenn man sich Filme bedeutender Regisseure ansieht, so etwa, beispielsweise, Lost Highway (1997) von David Lynch oder Auch Zwerge haben klein angefangen (1970) von Werner Herzog oder gar Persona (1966; mit Liv Ullmann & Bibi Andersson) von Ingmar Bergman oder Medea (1969; mit Maria Callas) von Pier Paolo Pasolini, dann führt das, im Idealfall, zu „einer Form von Erkenntnis“, die einen, drücken wir‘s mal so aus, „wie ein Blitzstrahl durchzucken“ kann – und das ist der Moment, in dem man, für ein paar Augenblicke, als „Zuschauer*in & Kunstkonsument*in“, dann weiß: man ist nicht mehr „allein“ in der Welt.
„Well“, Tarantino’s Werk bietet, aus meiner Sicht, zahlreiche solcher Momente, nur war es bei THE HATEFUL EIGHT zunächst eher so, dass ich von dem Western nicht auf Anhieb begeistert war, im Gegenteil, ich fand ihn, mal abgesehen von dem mitreißenden & auch Oscar-prämierten Original-Score von Ennio Morricone, der Morricone’s erster Western-Score seit jenem zu dem Bud Spencer-Film Eine Faust geht nach Westen (engl. Verleihtitel: Buddy Goes West; Regie: Michele Lupo) von 1981 war, im Vergleich zu anderen QT-Werken eher „öde“.
Und ja, der „70mm-SUPERSCOPE“-Western von 2015 hat seine Längen und ist definitiv sogar „incredibly long“, viel länger als er vielleicht sein müsste, nur ist das „Reservoir Dogs-Wilde Hunde-Remake mit eindeutigen Agatha Christie-Anleihen“ auf den zweiten & dritten Blick dennoch ein Werk, das „erfolgreich“ einen Spannungsbogen aufbaut und das es versteht, die Spannung, zumindest langsam, zu erhöhen.
Der „Cliffhanger-Midpoint“ mit dem Voiceover des „literarischen Erzählers“ und mit der Vergiftung des Kaffees hat sicherlich einen „nice touch“, aber: jeder Krimi ist irgendwie nur so gut wie sein Ende und THE HATEFUL EIGHT kumuliert dann in einer „intensiven & blutigen Klimax“, die zumindest „satisfying enough“ scheint.
Zur Vorgeschichte: Eigentlich war THE HATEFUL EIGHT, der -übrigens- auch Tarantino‘s „final film“ mit Harvey Weinstein & The Weinstein Company werden sollte, „as a sequel“ zu DJANGO UNCHAINED geplant, allerdings zunächst nur als „print sequel“, also: als Fortsetzung in Buchform, nur wurde Tarantino dann bewusst, dass die Figuren aus DJANGO UNCHAINED nicht so recht in die Story reinpassen, dass aber der Hateful Eight-Stoff an sich einen „standalone film“ allemal rechtfertigen würde.
Als Haupt-Inspirationsquellen für den Hateful Eight-Plot gelten Western-TV-Serien wie Die Leute von der Shilo Ranch (1962-1971; The Virginian; Produktion: Charles Marquis Warren(!) & Glen A. Larson), Bonanza (1959-1973) oder High Chaparral (1967-1971; The High Chaparral), denn: zweimal pro Staffel präsentierten die besagten TV-Serien eine Episode, in welcher eine Gruppe von Outlaws die Hauptfiguren / „lead characters“ als Geiseln nahm, so zum Beispiel auf der Bonanza’schen Ponderosa Ranch, wobei diese Outlaws zum Teil sogar von Gaststars wie David Carradine, Charles Bronson oder James Coburn verkörpert wurden (QT: „Ich mag diese Storyline nicht in einem modernen Kontext, jedoch sehr in einem Western, wo man dann allmählich herausfindet, ob die Figuren good or bad guys sind und wo Stück für Stück die Vergangenheit enthüllt wird“).
Tarantino hat die „good or bad guys?“-Storyline, in der er auch wieder auf die bewährte Kapitel-Struktur zurückgegriffen hat, dann zu einer, wie’s der JOHN RUTH-Darsteller Kurt Russell ausgedrückt hat, „Man weiß nicht, wer wer ist, und jeder will herausfinden, wer die anderen sind“-Storyline erweitert, in deren Zentrum aber, wie bereits erwähnt, eben keinerlei „Heroes & Heroines“ stehen, sondern lediglich „schändliche Typen & unrühmliche Bastarde“, die „Hintergrundgeschichten“ erzählen, welche wahr oder eben auch komplett erlogen sein könnten, und die dabei, wie immer bei QT, „Fragen der Rasse & Identität“ klären.
Manche, so wie Elvis Mitchell, dessen „Foreword“ der englischsprachigen Buch-Ausgabe des Drehbuchs vorangestellt ist, sehen in THE HATEFUL EIGHT das Interesse Tarantinos an „drawing room mystery“ [drawing room: Salon] im Sinne von Agatha Christie verwirklicht und Mitchell erwähnt in diesem Zusammenhang auch gleich „one of the best-selling books of all time“ und „the best-selling crime-novel of all time“, nämlich Christie‘s Buch „And Then There Were None“ (dt. Titel: „Und dann gabs keines mehr“) von 1939, das ursprünglich, dies aber nur für kurze Zeit, sogar den aus heutiger Sicht „politisch super-korrekten“ Titel „Ten Little Niggers“(!) getragen hat.
Und die Worte „and then there were none“ umschreiben ja auch ganz gut „the major element“, auf das QT‘s Hateful Eight-Plot hinausläuft, der vorsieht, dass die Charaktere, die allesamt über eine gewisse „ugliness“ verfügen und so etwas wie eine „original sin“ mit sich herumtragen, am Ende „auf `zero` dezimiert“ werden.
Als Tarantino das Hateful Eight-Skript beendet hatte, hätte er seinen „A-Plot“ fast noch einmal durch einen „B-Notfall-Plot“ ersetzen müssen oder das Film-Projekt überhaupt absagen, denn das Skript wurde tatsächlich online „ge-leaked“ und geriet so in die Öffentlichkeit, ein Umstand, der zur Folge hatte, dass man sich zu einem ungewöhnlichen Schritt entschied, nämlich, das Drehbuch vor einer „Live-Audience“ und im Rahmen einer sogenannten „Live-Read“-Veranstaltung vorzulesen – was dann auch am 19. April 2014 auf der Bühne des Ace Hotel in Los Angeles und „in the front of 1600 people“ geschah, wobei die ganze Veranstaltung innerhalb von nur 1ner Stunde ausverkauft war.
Und nach dem „Live-Reading“, an dem Samuel L. Jackson, Kurt Russell, Tim Roth, Michael Madsen, Walton Goggins, Bruce Dern & James Parks teilgenommen hatten, stand für Tarantino fest, dass seine „post-Civil War-mystery“ unbedingt doch das Licht der Leinwand erblicken sollte – „This is it. I’m gonna do it. I’m making the movie“ (QT).
(ENDE von TEIL 2; NEU ÜBERARBEITETE FASSUNG; Ur-Fassung vom 05.07.2021)