„Ich sage immer, dass er wie ein moderner Charles Dickens ist. Dickens schrieb über ganz normale Leute“
(Bruce Willis über Quentin Tarantino in der Doku Pulp Fiction: The Facts; QT wurde nach Pulp Fiction dann beispielsweise auch als „neuer Shakespeare Hollywoods“ bezeichnet)
MIA
Uuuuhhh...das klingt nicht nach dem üblichen, geistlosen, langweiligen Lernen-wir-uns-kennen-Gesülze. Das hier klingt, als hätten Sie wirklich was zu sagen.
(aus: Pulp Fiction; „Mia Wallace“ Uma Thurman zu „Vincent Vega“ John Travolta im „Jackrabbit Slim‘s“ – die Aussage ist eine Reaktion von Mia Wallace auf die Tatsache, dass Vega dazu ansetzt, sie zu den kursierenden „Fußmassage“-Gerüchten zu befragen [VINCENT – Aussage unmittelbar davor: „Ich hab irgendwie das Gefühl, sie sind ein netter Kerl, ich möchte Sie nicht beleidigen“]; in der Originalfassung sagt Uma Thurman: „Oooohhhh, this doesn’t sound like mindless, boring, getting-to-know-you chit-chat. This sounds like you actually have something to say.“)
BUTCH
Die kriegen dich nicht so schnell ran, Butch. Die unterschätzen dich immer noch.
(aus: Pulp Fiction; „Butch Coolidge“ Bruce Willis erlaubt sich, nachdem er sein Apartment wieder verlassen hat, in dem er die goldene Uhr geholt und „Vincent Vega“ John Travolta erschossen hat, in Fabienne’s Honda einen kleinen Moment des Triumphs; im Original: „That’s how you‘re gonna beat `em, Butch. They keep underestimatin` ya.“)
Rund zehn Jahre nach seiner zweiten Regie-Arbeit, nämlich 2003 & 2004, hat Quentin Tarantino seiner einstigen „Mia Wallace“-Darstellerin Uma Thurman mit den beiden Kill Bill-Filmen bekanntlich ein ebenso beeindruckendes wie „leicht monströses“ Denkmal gesetzt, das, nach Pulp Fiction, sicherlich zu den absoluten Karriere-Höhepunkten der „Tarantino-Muse“ Thurman gehört.
Grundsätzlich war Thurman, die im Pulp Fiction-Erscheinungsjahr 1994 erst 24 Jahre alt war und höchstens -und das selbst nach vielbeachteten Film-Auftritten wie in dem grandiosen Kostümfilm Gefährliche Liebschaften (1988) oder in der Gus Van Sant-Komödie Even Cowgirls Get the Blues (1993)- als „aspiring[aufstrebende] actress“ galt, für die Produktionsfirma Miramax ganz und gar nicht die erste Wahl für die „Mia Wallace“-Rolle gewesen. Zu den „Miramax Favorites“ zählten nämlich Schauspielerinnen wie Holly Hunter (bekannteste Filme: Das Piano sowie Die Firma mit Tom Cruise von 1993), Meg Ryan, Meg Tilly (bekannt vor allem aus Milos Forman’s Valmont von 1989) oder Alfre Woodard (bekannt aus der TV-Serie Desperate Housewives oder aus dem Drama 12 Years a Slave von 2013).
Tarantino jedoch wollte Uma Thurman als „koksende Gangsterbraut mit Bob-Haarschnitt“ Mia Wallace „after their first meeting“ und letztendlich wurde dann im Vorfeld der Veröffentlichung von Pulp Fiction auch haufenweise Promo-Material mit Thurman produziert.
Berühmt ist dabei vor allem jenes Promo-Bild geblieben, auf dem „Mia Wallace“ Uma Thurman sich in einem durch eine Jalousie abgedunkelten und durch eine Lampe ein wenig erhellten Raum befindet – Thurman, „mysterious & dangerous“ dreinblickend, liegt -auf ihrem Bauch- in einem Bett und raucht eine Zigarette, vor ihr auf dem Bett befinden sich außerdem eine Pistole, die Zigaretten-Packung sowie ein Heft, auf dem „Pulp Fiction“ steht (Anmerkung: Das besagte Promo-Bild, das auch zum seinerzeitigen Standard-Pulp Fiction-Filmplakat wurde und in der Folge als Cover für diverse VHS- und DVD-Ausgaben herhielt, ziert übrigens auch aktuell, also im Jahr 2020, wieder eine Blu-ray-Steelbook-Ausgabe des Films).
Wie bereits angedeutet ist Pulp Fiction ein Werk, in dem selbst die -„Perücken-basierten“- „Hairstyles“ ikonisch geworden sind, und Thurman’s berühmter dunkler „Bob“-Haarschnitt gehört ohne Zweifel nicht nur in jede „Bob haircut-Hall of Fame“, sondern zählt definitiv zu den „Most Iconic Movie Hairstyles“ überhaupt und wird sogar auch heutzutage noch ab und an als „role model“ für einen gelungenen Hairstyle herangezogen.
Nach dem Erfolg von Pulp Fiction bestand Thurman darauf, der „Independent Film“-Szene treu zu bleiben, und drehte drei weitere Jahre lang nur „Indie-Filme“, wobei dann die erste „Studio-Produktion“, in der Thurman mitwirkte, nämlich Batman & Robin (1997; Regie: Joel Schumacher), in der George Clooney zum ersten und einzigen Mal als Batman zugegen war, dann zum künstlerischen sowie kommerziellen Desaster geriet.
Mit ihrem Pulp Fiction-Co-Star und „Tanzpartner“ John Travolta war Thurman dann noch einmal gemeinsam in einem Film zu sehen, nämlich in der etwas bemühten Schnappt Shorty-Fortsetzung Be Cool – Jeder ist auf der Suche nach dem nächsten Hit (2005; Regie: F. Gary Gray), die wiederum, wie eben „Get Shorty“ von 1995, nach einer literarischen Vorlage von Elmore Leonard entstanden war – Leonard zählt bekanntlich auch zu QT’s Lieblingsschriftstellern und lieferte diesem mit dem Roman „Rum Punch“ die Vorlage zu Jackie Brown von 1997.
Auch in „Be Cool“, so wie eben der Originaltitel lautet, gibt es eine Tanzszene zwischen Travolta & Thurman, also zwischen „Chili Palmer“ & „Edie Athens“, so wie die beiden im Film heißen, nur hat diese Tanzszene nicht annähernd den Charme wie jene in Pulp Fiction, denn die zwei Schauspieler kommen, und so ähnlich hat das auch die Chicago Sun-Times einst ausgedrückt, darin höchstens als „kompetente“, gleichzeitig aber merkwürdig „emotionslose“ Tänzer rüber.
Das dritte „Traumpaar“ in Pulp Fiction, nach „Vincent & Jules“ und „Vincent & Mia“, sind in gewisser Weise „Butch & Marsellus“.
Würde da nicht der Umstand sein, dass Pulp Fiction ein Film ist, in dem man John Travolta wieder -auf angemessene Weise- tanzen sieht, und würde diese Tatsache, für einen Travolta-Fan, nicht alle anderen Aspekte ein wenig überschatten, dann wären eigentlich die Szenen mit „Butch Coolidge“ Bruce Willis und „Marsellus Wallace“ Ving Rhames (Anmerkung: Rhames hat, als „Luther Stickell“, seit 1996 eine Art „Dauerstelle“ an der Seite von „Ethan Hunt“ Tom Cruise in der Mission: Impossible-Reihe) die Höhepunkte des Films, denn die Sequenzen, in denen die beiden, mit Samurai-Schwert und Pumpgun bewaffnet, mit den „hillbilly psychopaths“ (Copyright: QT-Skript) und Vergewaltigern „Maynard & Zed“ aufräumen, sind die mitreißendsten in Pulp Fiction.
Aber auch jene Sequenzen im „Sally LeRoy’s“, in denen „the big boss“ Marsellus Wallace, bei dem ja irgendwie im Film sämtliche Fäden zusammenlaufen, dem in die Jahre gekommenen „prizefighter“ Coolidge, zu den Klängen des wunderbaren Al Green-Klassikers „Let’s Stay Together“ (1972), zuerst eine Art „desillusionierenden Vortrag“ übers Boxerleben hält, um ihm anschließend zu sagen, wie der Kampf gegen Floyd Wilson zu enden hat, sind schon, im wahrsten Sinne des Wortes, „großes Kino“ (der Höhepunkt dabei ist Wallace’s Statement zum Thema „Stolz“: MARSELLUS zu BUTCH – gemäß Skript: „[…] the night of the fight, you will feel a slight sting[leichten Stich]. That’s pride fuckin`wit ya. Fuck pride! Pride only hurts, it never helps. Fight through that shit“).
Bruce Willis war zum Zeitpunkt der Pulp Fiction-Dreharbeiten natürlich der mit Abstand größte und -grundsätzlich- teuerste Star am Set (Anmerkung: Willis‘ übliche Gage betrug damals um die 10 Millionen US-Dollar, für Tarantino und Pulp Fiction akzeptierte Willis aber ein Salär von nur rund 800.000$), denn Willis hatte, nach seinem Durchbruch mit der auch heute noch sehenswerten TV-Serie Moonlighting (1985-1989; Co-Star: Cybill Shepherd; lief im deutschsprachigen Raum unter dem Titel „Das Model und der Schnüffler“), mit den Stirb langsam-Filmen (1988; 1990; Regie: John McTiernan bzw. Renny Harlin) und Werken wie Last Boy Scout (1991; The Last Boy Scout; Regie: Tony Scott) auch die große Leinwand erobert.
Allerdings kam Willis damals ein veritabler Hit wie Pulp Fiction gerade recht, denn mit Flops wie der bizarren Action-Komödie Hudson Hawk – Der Meisterdieb (1991; Hudson Hawk; Regie: Michael Lehmann) oder dem klischeehaften „Erotik-Psychothriller“ Color of Night (1994; Regie: Richard Rush), der versuchte in erfolgreichen „Basic Instinct-Gewässern“ zu fischen, war Willis‘ Karriere Anfang/Mitte der 90er-Jahre sogar im Begriff gewesen eine leichte Talfahrt hinzulegen.
Für Tarantino war der Boxer „Butch Coolidge“ gleichsam „a bully and a jerk“, also eine Art Mischung aus „Rowdy“ und „Trottel“, die allerdings einem „specific character“ aus einem klassischen Hollywood-Crime-Film nachempfunden war, nämlich der Figur des von Ralph Meeker gespielten Privatdetektivs „Mike Hammer“ in Robert Aldrich’s Rattennest (1955; Kiss Me Deadly; literarische Vorlage: „Rhapsodie in Blei“ von Mickey Spillane). Rattennest, der mittlerweile als Kultklassiker des Film noir und als „visuelles Meisterwerk“ (Kamera: Ernest Laszlo) gilt, hat Tarantino aber noch zu einem anderen berühmten Aspekt von Pulp Fiction inspiriert, nämlich zu dem „leuchtenden Koffer“, dessen Inhalt der Zuseher nie zu Gesicht bekommt – in Rattennest öffnet „Mike Hammer“ Ralph Meeker nämlich auch so einen Koffer unbekannten Inhalts, wird dabei von einem grellen Licht geblendet und erleidet sogar eine Verbrennung am Handgelenk. Der Koffer ist, sowohl in Rattennest als auch in Pulp Fiction, nichts weiter als ein „MacGuffin“, also ein Objekt, das lediglich dazu dient, die Handlung auszulösen und voranzutreiben, ohne selbst von besonderem Nutzen zu sein.
(ENDE von TEIL 3.2 - Neu überarbeitete Fassung; Ur-Fassung: 08.04.2020)